Europa braucht Wachstum

Do, 01.03.2007
 
50 Jahre nach Unterzeichnung der Römischen Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft sieht Bundeskanzlerin Angela Merkel Europa wieder vor historischen Herausforderungen. Es gelte, die EU an die veränderte Weltlage anzupassen - ökonomisch wie ökologisch. Das erklärte Merkel in einer Regierungserklärung vor dem EU-Frühjahrs-Gipfel.
Die Menschen bräuchten Europa, müssten seine Vorteile allerdings auch deutlich erkennen können, sagte die Kanzlerin. "Wir müssen dieses Europa aus der Perspektive der Bürgerinnen und Bürger denken!", forderte sie vor den Abgeordneten des Deutschen Bundestags.
 
Nur wenn Europa wirtschaftlich erfolgreich sei, könne die EU auch in Zukunft ihre Werte behaupten und bleiben, was sie ist: "ein Raum des Friedens, der Freiheit, der Sicherheit und des Wohlstands".
 
 

Integrierte Energie- und Klimaschutzpolitik

 
Die Bundeskanzlerin erinnerte erneut daran, dass für eine sichere wirtschaftliche Zukunft des Kontinents eine verlässliche Energieversorgung unabdingbar ist. Diese sei angesichts der besorgniserregenden Anzeichen eines Klimawandels untrennbar mit effektivem Klimaschutz verbunden.
 
Merkel unterstrich, die Industriestaaten dürften beim Emissionsausstoß nicht so weitermachen wie bisher. Werde nicht gehandelt, würden aufgrund des Klimawandel weit höhere Aufwendungen erforderlich als der Klimaschutz koste.
 
Für den bevorstehenden EU-Gipfel kündigte die amtierende Ratspräsidentin deshalb ein integriertes Konzept zur Energie- und Klimaschutzpolitik der Union an: als eine "strategische Grundlage für eine wettbewerbsfähige und klimaverträgliche Energieversorgung" in Europa. Dazu müsse die Automobilindustrie mit CO2-Reduzierungen ebenso beitragen wie private Bauherren. Gleichzeitig gelte es, die Erneuerbaren Energien auszubauen – ein Feld, auf dem die EU weltweit schon heute führend ist.
 
"Wir werden den Beweis erbringen, dass Ökonomie und Ökologie miteinander versöhnt werden können", zeigte sich die Bundeskanzlerin in der Regierungserklärung entschlossen.
 

Neue Dynamik – nach innen und außen

 
Das Ziel der EU, bis 2010 der dynamischste Wachstumsmarkt der Welt zu werden ("Lissabon-Strategie"), muss nach Merkels Überzeugung konsequent weiterverfolgt werden. Auch wenn es möglicherweise erst später erreicht wird.
 
Das Wirtschaftswachstum innerhalb Europas ist im vergangenen Jahr von 1,7 auf 2,8 Prozent gestiegen. Die Arbeitslosigkeit in den Mitgliedsstaaten sank von 8,8 auf 7,3 Prozent: massive Fortschritte, auf denen es nach Merkels Worten aufzubauen gilt.
 
 
Um diese wirtschaftliche Dynamik zu beschleunigen, brauche es einen "Ordnungsrahmen, der freiheitliche Entwicklung ermöglicht", sagte die Kanzlerin. Dazu soll in Europa wie in Deutschland eine deutlich verschlankte Bürokratie beitragen. Um 25 Prozent werde die EU die lästigen Statistik- und Berichtspflichten für Unternehmen abbauen, kündigte Merkel an. Allein das berge zusätzliches Wachstumspotenzial von 1,5 Prozent.
 
Zusätzliche Impulse erhofft sich EU-Ratspräsidentin Merkel von der Liberalisierung des Welthandels und einer engeren transatlantischen Wirtschaftspartnerschaft. Angesichts heranwachsender Wirtschaftmächte wie China und Indien spricht einiges für einen transatlantischen Schulterschluss beim Handel. Bereits im vergangenen Jahr war über einen europäisch-amerikanischen Binnenmarkt verhandelt worden. Eine Einigung scheiterte aber einstweilen an Fragen des geistigen Eigentums und Zöllen. Die Bundeskanzlerin will das Thema beim EU-Amerika-Gipfel in Washington Ende April erneut auf die Tagesordnung setzen.
 

Das Europäische Sozialmodell stärken

 
Die Bundeskanzlerin bekannte sich zum europäischen Sozialmodell. Wirtschaftlicher Erfolg sei kein Wert an sich, sondern müsse den Menschen dienen. Allerdings seien die europäischen Sozialstaaten durch die Globalisierung unter Druck geraten. Deshalb sei nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum für Europa unverzichtbar: in qualitativer Hinsicht ebenso wie in quantitativer.
 
Wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit, sozialer Zusammenhalt und der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit seien dabei "gleichrangige Ziele", sagte Merkel. 
  

Europa handlungsfähiger machen

 
Um die Handlungsfähigkeit der EU zu sichern, will die Bundesregierung während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft auch den unterbrochenen Prozess für einen Europäischen Verfassungsvertrag wiederanstoßen. Die Union der 27 sei mit dem Vertragswerk von Nizza nicht zu steuern, so Merkel.
 
"Wir brauchen einen Vertrag der stärker die regionale Verantwortung benennt und Europa institutionelle handlungsfähig macht", betonte die Bundeskanzlerin. Bis Juni will die deutsche Präsidentschaft einen Fahrplan vorlegen, wie es mit dem Verfassungsprozess weitergehen soll.

 
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