"Wir wollen der Globalisierung ein menschliches Gesicht geben"

Do, 24.05.2007
 
Zwei Wochen vor dem G8-Gipfel in Heiligendamm hat Bundeskanzlerin Angela Merkel in einer Regierungserklärung noch einmal die Ziele der deutschen G8-Präsidentschaft dargelegt: Dazu gehören die Förderung des weltweiten Aufschwungs, die soziale Gestaltung der Globalisierung und eine nachhaltige Afrika-Politik.
Der Gemeinschaft der führenden sieben Industrieländer und Russlands (G8) gehe es nicht darum, ihre spezifische Interessen durchzusetzen, betonte die Kanzlerin vor dem Bundestag. Ziel sei es vielmehr, Lösungen für die großen gemeinsamen Herausforderungen der Menschheit zu finden. Dazu zählten mehr als früher auch Fragen der Sicherheits-, Umwelt- und Entwicklungspolitik.
 

Gestaltung ist unverzichtbar – und machbar

 
"Die Globalisierung bietet große Chancen für Wachstum und Wohlstand für alle Länder", sagte Merkel. "Wir müssen diese Chancen allerdings erkennen, und wir müssen sie nutzen."
 
Deutschland könne mit seinen acht Millionen exportabhängigen Arbeitsplätzen ebenso vom freien Welthandel profitieren wie die Entwicklungs- und Schwellenländer. Dafür sei es aber erforderlich, den Prozess der Globalisierung auf internationaler Ebene gemeinsam politisch zu gestalten. "Hierfür ist die G8 ein wertvolles Gremium", unterstrich Merkel. Entgegen einer landläufigen Einschätzung sei die Politik durch die Globalisierung keineswegs machtlos geworden.
 

Die soziale Dimension stärken


Die Bundeskanzlerin äußerte Verständnis dafür, dass die fortschreitende Globalisierung bei vielen Menschen auch Ängste weckt. "Die Bundesregierung nimmt diese Sorgen ernst", versicherte sie. Tatsächlich lasse sich etwa die Frage, ob Europa im internationalen Wettbewerb seine Standards und seinen Wohlstand bewahren kann, nicht einfach vom Tisch wischen.
 
Bundekanzlerin Angela Merkel und Vizekanzler Franz Müntefering, sitzend im BundestagFoto: REGIERUNGonline / Steins Vergrößerung Im Plenum: die Kanzlerin mit ihrem VizeMerkel bekannte sich zu den sozialpolitischen Errungenschaften der Industrieländer. "Vom Gipfel in Heiligendamm soll ein starkes Signal für die Beachtung sozialer und ökologischer Standards ausgehen", sagte sie.
 
Die Bundeskanzlerin dankte Vizekanzler Franz Müntefering, der dieses Thema mit großem Engagement für den Gipfel vorbereitet habe. Auf Münteferings Initiative waren während der deutschen Präsidentschaft erstmals die Arbeits- und Beschäftigungsminister der G8 zusammengekommen. Gemeinsam mit internationalen Fachleuten erörterten sie in Dresden die soziale und faire Gestaltung der Globalisierung.
 

Offene Märkte, klare Regeln

 
Einen vielversprechenden Ansatz, damit Europas Wirtschaft Bestand haben kann, sieht die Kanzlerin in dem in Deutschland erprobten Dreiklang aus "Sanieren, Reformieren und Investieren". Für alle Staaten offene Märkte sollen den gegenseitigen Handel beflügeln – und damit das Wachstum.
 
Damit der freie Handelsaustausch fair bleibt und funktioniert, seien auch auf freien Märkten gewisse Regeln erforderlich: So müssten die internationalen Finanzmärkte transparenter werden. Als amtierende Präsidentin der G8 begrüßte Merkel deshalb, dass sich die G8-Finanzminister kürzlich auf Empfehlungen für gemeinsame Hedge-Fonds-Standards geeinigt haben.
 
Auch der Schutz des geistigen Eigentums soll international effektiver werden. Darüber wollen die G8 in Heiligendamm vor allem mit den so genannten Schwellenländern wie China und Indien sprechen.
 

Klimaschutz: Industrieländer müssen Vorreiter sein

 
Beim Klimaschutz müssen die Industrieländer nach Merkels Überzeugung eine Vorreiterrolle einnehmen. Nur so könnten die wirtschaftlich weniger entwickelten Staaten mitgenommen werden. "Ansonsten werden wir den Klimawandel nicht bekämpfen können", so die Kanzlerin.
 
Insbesondere in Sachen Energieeffizienz gelte es, die technologische Zusammenarbeit mit den Schwellenländern auszubauen.
 

Entwicklungshilfe: Die G8 stehen zu ihrem Wort

 
Mit Blick auf die vor zwei Jahren von den G8 vereinbarten entwicklungspolitischen Ziele sagte Merkel: "Wir werden unsere Zusagen einhalten." Damals hatten die Staats- und Regierungschefs vereinbart, ihre Entwicklungshilfe bis zum Jahr 2010 auf 50 Milliarden Dollar pro Jahr aufzustocken.
 
Um dieses Ziel zu erreichen, will die Bundeskanzlerin auch neue Wege beschreiten: So kann sie sich vorstellen, mit den Versteigerungserlösen von CO2-Zertifikaten entwicklungspolitische Projekte zu unterstützen. Darüber soll in Heiligendamm beraten werden.
 
Die Fortsetzung der Reformpartnerschaft mit Afrika ziele auf eine stabile Weltordnung und sei daher im eigenen Interesse der Industriestaaten, mahnte Merkel. Sie ist zuversichtlich, dass diese Partnerschaft Früchte tragen kann.
 
"Afrika ist in Bewegung", so die Kanzlerin. "Mehr und mehr Staaten werden demokratisch, das Wirtschaftswachstum steigt, die Zahl der bewaffneten Konflikte nimmt ab." Allerdings bleibe noch viel zu tun. Das zeigten etwa die besorgniserregenden Ereignisse in Zimbabwe und Darfur, aber auch Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen in Nigeria.
 

Wer friedlich protestiert, wird gehört

 
Angela Merkel ist überzeugt, dass sich die Globalisierung politisch gestalten lässt. Mit den Menschen, die daran zweifeln, wollten die G8 im Dialog bleiben, versprach sie: "Wer friedlich protestiert, dessen Anliegen ist nicht nur legitim, sondern er findet auch unser Gehör", sagte Merkel mit Blick auf die angekündigten Demonstrationen globalisierungskritischer Gruppen.

 
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