"Dafür lege ich meine Hand ins Feuer"So, 20.05.2007
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Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul wirbt bei Unternehmen dafür, die Chancen in Afrika stärker zu nutzen. Im Interview spricht sie auch über Schuldenerlass und über das Ziel, die Entwicklungshilfe bis 2010 zu verdoppeln.
Das Interview im Wortlaut: Welt am Sonntag: Frau Wieczorek-Zeul, Weltbank-Chef Paul Wolfowitz hat wegen des Vorwurfs der Vetternwirtschaft seinen Rücktritt erklärt - ein Schritt, den Sie bereits vor einigen Wochen gefordert haben. Wie groß ist der Imageschaden in afrikanischen Ländern, von denen die westlichen Demokratien einen Kampf gegen Korruption fordern? Heidemarie Wieczorek-Zeul: Es ist jetzt wichtig, nach vorne zu schauen. Die Weltbank muss nun schnell ihre Glaubwürdigkeit und volle Handlungsfähigkeit wiedererlangen und den Kampf gegen die Armut fortführen. Dazu gehören auch die Stärkung der Regierungssysteme in den Partnerländern und der weltweite Kampf gegen Korruption. Wir brauchen eine starke und arbeitsfähige Weltbank, und wir müssen aus den gemachten Erfahrungen lernen. Eine genaue Überprüfung der internen Führungsstrukturen der Weltbank ist jetzt notwendig. Dazu gehört auch, dass die Stimmrechte für die ärmsten afrikanischen Entwicklungsländer gestärkt werden müssen. Gerade diese Länder sind die "Hauptkunden" der Bank und müssen stärker in die Entscheidungsprozesse eingebunden werden. WamS: Bob Geldof, Bono und Herbert Grönemeyer mahnten diese Woche an, der Westen halte seine Versprechen in Sachen Entwicklungshilfe nicht. Brauchen wir die Schelte dieser Showgrößen? Wieczorek-Zeul: Unsere Versprechen lösen wir ein. Ich halte es aber für hilfreich, dass sich Künstler und Wissenschaftler dafür engagieren, die Chancen Afrikas in den Mittelpunkt zu stellen. Das schafft keiner allein. Das ist zivilgesellschaftliches Engagement, wie man es besser nicht haben kann. WamS: Auf dem vergangenen G8-Gipfel in Gleneagles in Schottland wurde beschlossen, die Entwicklungshilfe zu steigern, stattdessen sinkt sie heute. Lassen wir Afrika im Stich? Wieczorek-Zeul: Nein. Der Rückgang der gesamten internationalen Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit hängt vor allem damit zusammen, dass die Auswirkungen des Schuldenerlasses durch die USA deutlich zurückgegangen sind, das erklärt die Entwicklung. Die deutschen und europäischen Mittel sind in den vergangenen Jahren gestiegen. In Europa setzen wir den Schuldenerlass von Gleneagles für Afrika, diese 55 Milliarden Dollar, weiter um. Wichtig ist: In dem Maße, in dem Auswirkungen aus dem Schuldenerlass zurückgehen, müssen neue Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden, damit die Ziele erreicht werden. Ich lege meine Hand dafür ins Feuer, dass wir das, was wir in Gleneagles beschlossen haben, nämlich die Verdopplung der Entwicklungshilfe für Afrika bis 2010, hinbekommen. WamS: Heute zahlen wir 0,36 Prozent des Bruttoinlandsprodukts an Entwicklungshilfe, weit entfernt von den 0,7, die wir bis 2015 erreichen wollen. Sollte Deutschland einen Teil der ungeahnten Steuermehreinnahmen für Entwicklungshilfe reservieren? Wieczorek-Zeul: Wir liegen im Zeitplan, den sich die EU-Mitglieder gegeben haben zur Steigerung der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit. Dennoch wäre es für die Große Koalition eine historische Leistung, wenn es gelänge, dass wir bis 2010 0,51 Prozent und dann 0,7 Prozent des BIP für Entwicklungshilfe zur Verfügung stellen. Was haben wir darüber in den 70er-Jahren geredet! Jetzt können wir es umsetzen. Ich denke, der Finanzminister weiß das. Wir haben uns ja auch in der Koalitionsvereinbarung darauf festgelegt. In den Haushalten 2006 und 2007 hat es deutliche Steigerungen für den Entwicklungshaushalt gegeben, jeweils rund 300 Millionen Euro ... WamS: ... und so geht es weiter? Wieczorek-Zeul: Natürlich. Anders können wir die Ziele nicht erreichen. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich bin da keine Bittstellerin. Hilfe für Afrika ist in unserem ureigensten Interesse. Wenn sich die Lebensverhältnisse dort bessern, ist das Prävention dafür, dass die Menschen nicht zu uns flüchten müssen, dass es dort keine Kriege gibt, in die wir dann militärisch eingreifen müssen. Das ist gut angelegtes Geld, das dort Lebenschancen schafft. Wir haben uns international zur Zahlung von Entwicklungshilfe verpflichtet, genauso wie wir unsere Beiträge für Nato und Vereinte Nationen bezahlen. Darauf sind wir festgelegt. WamS: Afrika benötigt mehr private Investitionen. Engagiert sich die deutsche Wirtschaft genug? Wieczorek-Zeul: Noch nicht genug. Bei unserem Weltbank-Forum zu Afrika wollen wir Unternehmen motivieren und in Kontakt bringen mit Partnern in Afrika. Die Unternehmen müssen die Chancen noch mehr nutzen. Es gibt ja gute Entwicklungen. Nehmen Sie die Initiative von Michael Otto, der mit seiner Michael-Otto-Stiftung "Cotton made in Africa" voranbringt. Damit ist allen gedient: Die Baumwolle hat bessere Absatzchancen, mit dem Erlös haben die Menschen in Afrika bessere Einkommen, und Kinder können in die Schule gehen. WamS: Wie werben Sie für mehr Engagement der Wirtschaft? Wieczorek-Zeul: Afrika ist doch unser Nachbarkontinent und ein großer, in vielen Bereichen unerschlossener Markt. Das haben die Chinesen viel schneller erkannt. Die Konferenz der Afrikanischen Entwicklungsbank findet in diesem Moment in Shanghai statt. Das ist ein Signal. Deutsche Unternehmen dürfen da nicht den Anschluss verlieren. Afrika wird bei uns als Kontinent von Krisen und Konflikten wahrgenommen. Das ist eine zu eingeschränkte Sichtweise. Es gibt auch eine positive Entwicklung. Afrika ist mindestens so unterschiedlich wie Europa zwischen Andorra und Norwegen. WamS: Würde der Anteil Afrikas am Welthandel um nur einen Prozentpunkt steigen, entspräche das einem zusätzlichen Einkommen von 70 Milliarden Dollar. Hat Europa da seine Hausaufgaben gemacht? Wieczorek-Zeul: Auf jeden Fall müssen doppelte Standards verhindert werden. Die EU hat ihre Subventionierung von Baumwolle abgebaut. In den USA gibt es die Subventionierung im Umfang von vier Milliarden Dollar noch - das geht zu Lasten ganz Westafrikas. Gute Baumwolle von dort findet keine Absatzmärkte. Der Vorwurf an den Westen liegt auf der Hand: Ihr redet nur vom Freihandel, aber sobald euch dieser Nachteile bringt, ist davon nichts zu sehen. Wir müssen verhindern, dass Islamisten versuchen, auf dieser Basis zu agitieren. Es ist in unserem politischen Interesse, zu verhindern, dass sich Gruppen dort festsetzen, die Arme aufzuhetzen versuchen. WamS: Gibt es denn in Afrika Beispiele für erfolgreiche Entwicklung? Wieczorek-Zeul: Ein Land wie Ghana etwa. Die Regierung selbst stellt den Kampf gegen Armut und Korruption in den Mittelpunkt und bringt die Wirtschaft voran. Ein gutes Beispiel für Good Governance. Aber auch ein Land wie Mosambik macht gute Fortschritte. Diese Länder haben Wachstumsraten von über fünf Prozent, das ist schon enorm. WamS: Was bringt der G8-Gipfel? Wieczorek-Zeul: Die Verpflichtung, die bisherigen Zusagen umzusetzen. Die Entschuldung weiter voranbringen - die Entschuldung der ärmsten Länder hat dazu gerührt, dass heute 20 Millionen Kinder mehr zur Schule gehen. Transparenz bei den Finanzströmen. Alles zu tun, damit nachhaltige Investitionen in Afrika zustande kommen. Dann: Aidsbekämpfung - wir müssen jetzt Frauen stärker in den Blick nehmen. WamS: Bei so viel gutem Willen - sind die G8 der falsche Gegner für Globalisierungskritiker? Wieczorek-Zeul: Ja, zumal wir doch G8 plus n sind. Wir laden doch die Schwellenländer und die afrikanischen Entwicklungsländer dazu, allein schaffen es auch die G-8 nicht. Aber sie haben einfach zentrale wirtschaftliche Bedeutung. Was die G-8 machen, entscheidet auch über die Zukunft von Entwicklungsländern. Wir sollten uns also alle nichts als gute Ergebnisse wünschen. |
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