Noch vier Tage bis zum G 8-Gipfel: Die Vorbereitungen der PolitikerSa, 02.06.2007
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Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU) verteidigt im Interview mit der Sächsischen Zeitung die Sicherheitsvorkehrungen in Heiligendamm.
Das Interview im Wortlaut: Sächsische Zeitung: Herr de Maizière, jeder dritte Deutsche hält laut Umfragen den G8-Gipfel für ein überflüssiges Spektakel. Ist er das? Thomas de Maiziére: Nein. Richtig ist, dass die ursprüngliche Idee, einige Staatschefs unterhalten sich in Ruhe und ohne Beschlüsse, heutzutage schwierig geworden ist. Trotzdem sind das wichtige Treffen. Zunächst ist atmosphärisch nicht zu unterschätzen, wenn die Regierungschefs sehr eng mit wenigen Mitarbeitern über viele Stunden zusammensitzen. Das bewirkt für viele Entscheidungen der nächsten Monate etwas Positives. Und das Zweite ist: Wir haben eine anspruchsvolle Agenda, damit es zu Selbstverpflichtungen kommt, die hoffentlich, um es ganz pathetisch zu sagen, auch die Welt verbessern helfen. Nicht auf einen Ruck, doch allmählich. Sächsische Zeitung: Und diese Gesprächsatmosphäre rechtfertigt die Kosten von 120 Millionen Euro? de Maiziére: Denken Sie, es macht uns Spaß, einen Zaun aufzubauen? Wenn ich sächsisch antworten darf: Es macht auch niemandem Spaß, dass bei einem Fußballspiel der dritten Liga Hunderte von Polizisten auftreten müssen. Da kann man sich auch fragen, ob so ein Spiel das überhaupt wert ist. Es gibt in diesem Land und weltweit Leute, die wollen, dass solche Veranstaltungen nicht stattfinden. Das sind nicht die friedlichen Demonstranten. Aber ein kleiner Teil mit einem erheblichen Aggressivitätspotenzial will so etwas verhindern. Jetzt kann man daraus die Schlussfolgerung ziehen, wir lassen es deswegen. Wir halten das für falsch und müssen mit der Kritik am Aufwand leben. Sächsische Zeitung: Welches Ziel auf der Agenda hat absolute Priorität? de Maiziére: Wir wollen deutlich machen, dass Globalisierung kein unabwendbares Schicksal ist, sondern etwas, was politisch gestaltet werden kann, darf und muss. Wir wollen eine Globalisierung mit menschlichem Gesicht. Wenn das ein Zeichen von Heiligendamm ist, wäre das ein wichtiges Ergebnis. Sächsische Zeitung: Das schwierigste Thema ist der Klimaschutz. Reicht Ihnen die Initiative von US-Präsident Bush aus, die 15 Staaten, die als größte Umweltverschmutzer gelten, sollen sich bis Ende 2008 auf ein gemeinsames Emissionsziel einigen? de Maiziére: Wichtig ist, dass wir einen Prozess für den Klimaschutz in die richtige Richtung organisieren. Der Kyoto-Prozess, also die international verpflichtende Verabredung zur Reduzierung von CO2-Emissionen, darf nicht 2012 aufhören, ohne ein Folgeergebnis. Die Ankündigung von Präsident Bush, über verbindliche Klimaziele im internationalen Rahmen zu verhandeln, ist positiv. Sächsische Zeitung: Schwerpunkt Afrika: Die G8-Staaten haben sich verpflichtet, ihre Entwicklungshilfe bis 2015 auf 0,7 Prozent ihrer Bruttonationaleinkommen zu erhöhen. Deutschland hat gerade mal die Hälfte erreicht. Welches Signal werden wir in Heiligendamm sehen, ob dieses Ziel noch erreicht werden kann? de Maiziére: Im nächsten Bundeshaushalt werden die Mittel für die Entwicklungshilfe allein im Jahr 2008 deutlich um 750 Millionen Euro steigen. Dann kommen wir auf 0,38 Prozent des Bruttonationaleinkommens. Das ist sehr viel Geld. Wir wollen aber auch bei der Zuordnung der Mittel prüfen, was vernünftigerweise als Entwicklungshilfe zurechenbar ist. Sächsische Zeitung: Fließt in die Wiederauffüllung des Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Malaria und Tuberkulose noch extra Geld? de Maiziére: Wir werden die Mittel für diesen Fonds um 100 Millionen auf dann 400 Millionen Euro erhöhen. Sächsische Zeitung: Zurück zur Sicherheit: Wurde bei der Entscheidung, einen Zaun um Heiligendamm zu ziehen, berücksichtigt, dass er das ohnehin schwierige Image des G8-Gipfels weiter verschlechtern wird? de Maiziére: In Schottland beim G8-Gipfel vor zwei Jahren gab es auch einen Zaun. Nur war da alles vom Attentat in London überlagert. Aber niemand wäre auf die Idee gekommen, dies besonders zu kritisieren. Unsere Vorgängerregierung hat die Entscheidung für Heiligendamm getroffen und den Zaun zu bauen. Wir kritisieren beides nicht. In der geografischen Lage von Heiligendamm ist Sicherheit für die Veranstaltung nur durch einen Zaun herzustellen. Sächsische Zeitung: Aber stören Sie persönlich nicht auch die Fernsehbilder von Kindern, die auf dem Weg in die Schule ihre Pausenbrote röntgen lassen müssen? de Maiziére: Ich finde beeindruckend, mit welcher Gelassenheit und mit welchem pragmatischen Herangehen die Bevölkerung vor Ort das sieht. Viel gelassener als all die, die jetzt von außen auf den Zaun sehen. Sächsische Zeitung: Werden die Ergebnisse des Gipfels nicht von diesen Bildern überschattet? de Maiziére: In Deutschland sind Demonstrationen willkommen. Wenn und so weit uns die Demonstranten mahnen, dass die Globalisierung nicht ungezügelt und zulasten der Dritten Welt erfolgen darf, dann sind das Demonstrationen, die auch unsere Anliegen beim G8-Prozess unterstützen. Deshalb ist meine Bitte, über Inhalte und Zahl der Demonstranten in dem angemessenen Verhältnis zu berichten, wie friedlich oder unfriedlich demonstriert wird. Wenn zehn Prozent gewalttätiger Demonstranten das Medienbild beherrschen sollten, ist das nicht im Sinne der 90 Prozent friedlicher Demonstranten. Sächsische Zeitung: Aber wenn sich die Mächtigen vom Volk abschotten, entsteht da nicht eine sehr symbolhafte Trennung? de Maiziére: G8 ist zu einem Symbol von Demonstrationen, leider auch von gewalttätigen Demonstrationen geworden. Denken Sie an die Toten bei G8 in Genua. Wir haben eine Verpflichtung, dass alles sicher und ordnungsgemäß abläuft. Da ist leider räumlicher Abstand eine gewisse Garantie dafür. Die Bundeskanzlerin scheut nun wirklich nicht die Diskussion. Obwohl die Tage sehr anstrengend werden, wird sie am Samstag auf dem evangelischen Kirchentag mit Nobelpreisträger Yunus öffentlich über die Ergebnisse des G8-Gipfels diskutieren. Also man kann nicht sagen, dass wir abgeschottet von der Welt Spektakel abziehen. Sächsische Zeitung: Warum werden überhaupt so idyllische Orte gewählt, um sie dann in Hochsicherheitsgefängnisse zu verwandeln, die die Abschottung noch betonen? de Maiziére: Um die erwähnte Form einer intensiven Atmosphäre zu schaffen. Warum gehen Menschen in eine Klausurtagung? Man geht weg, man schließt sich ein, man will nicht in irgendeinem Tagungsgebäude sein, wo man immer ist. Das ist eigentlich etwas Normales, was jeder mittelständische Betrieb mit seinem Leitungsteam auch macht. Bestimmt nicht, um Demonstranten zu entfliehen. Die können jeden Tag in den Hauptstädten demonstrieren. Gespräch: Nora Miethke und Karin Schlottmann |
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