Mitschrift Pressekonferenz

Pressekonferenz zum G8-Gipfel vom 6. bis 8. Juni 2007 in Heiligendamm

Fr, 08.06.2007
 
am Freitag, dem 08.06.2007
Sprecherin: Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
 
BK´IN DR. MERKEL: Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir können sagen, dass es ein erfolgreicher G8-Gipfel war. Zu dem Erfolg haben viele beigetragen: die Teilnehmer hier, die vielen Mitarbeiter, die Organisatoren, diejenigen, die sich auch friedlich vorher engagiert haben, und die Sicherheitskräfte. Heiligendamm und Kühlungsborn waren gute Gastgeber. Die Atmosphäre spielt natürlich auch immer eine Rolle.
 
Ich sage, es war ein erfolgreicher Gipfel, weil ich der Meinung bin, dass weitreichende Beschlüsse bei Kernthemen unter unserer deutschen G8-Präsidentschaft gefasst wurden. Wir haben uns vorgenommen, dass wir das Thema "Wachstum und Verantwortung" in den unterschiedlichen Dimensionen behandeln. Es ist uns gelungen, in den Abschlussdokumenten dies auch in vielfältiger Weise deutlich zu machen.
 
Zu dem Erfolg haben auch die Minister-Treffen im Bereich von G8 - von den Arbeitsministern, den Finanzministern, den Umweltministern bis hin zu den Außenministern -  beigetragen. Ganz ausdrücklich möchte ich das sagen. Ich will noch hinzufügen, dass unsere G8-Präsidentschaft noch bis zum Ende des Jahres läuft. Das heißt, wir sind auch noch in den nächsten Monaten dafür verantwortlich, dass vieles von dem, was auch heute besprochen wurde, nicht ein halbes Jahr lang in Vergessenheit gerät. Ich bin ganz überzeugt, dass die Kooperation mit Japan als dem nächsten G8-Präsidentschaftsland auch sehr gut war und auch bleiben wird. Ich werde auch im Herbst nach Japan reisen, sodass wir hier auch einen sofortigen   Übergang organisieren können.
 
Wir haben Fortschritte beim Thema Klimaschutz gemacht. Wir haben gestern darüber sehr ausführlich gesprochen. Die Fortschritte liegen darin, dass ein klarer Verhandlungsauftrag auf der Basis des UN-Mechanismus vorhanden ist. Es ist heute vom UNO-Generalsekretär noch einmal sehr herausgehoben worden. Auch die Länder, die heute bei uns zu Gast waren  - sowohl die afrikanischen Länder als auch Indien, China, Mexiko, Brasilien und Südafrika  , haben sehr deutlich gemacht, dass sie sich diesem Prozess verpflichtet fühlen, aber dass er im Rahmen der UNO stattfinden muss. Alles andere wäre aus meiner Sicht nicht erfolgversprechend gewesen.
 
Zweitens. Die wichtigen Arbeiten des Klimaschutzberichts, also der wissenschaftlichen Erkenntnisse, sind hier nicht nur gewürdigt, sondern auch als Grundlage anerkannt worden. Wir sind uns einig, dass es langfristige Reduktionsziele geben muss. Wir sind uns auch einig, dass die Festlegungen, die die Europäische Union, Kanada und Japan bereits getroffen haben, nämlich dass bis zur Mitte des Jahrhunderts 50 % der CO2-Emissionen eingespart werden müssen, ernsthaft betrachtet werden müssen und dass niemand mehr diesen Betrachtungen die Grundlage abspricht.
 
Wir haben heute das Treffen mit den afrikanischen Vertretern gehabt. Hier ist sehr klar geworden, dass wir natürlich in einer großen Verpflichtung stehen, die Millenniumsziele einzuhalten. Die Phasen sind 2010, 2015. Wir haben im Umfeld dieses Gipfels und in den Abschlussdokumenten noch einmal zusätzliche Kraftanstrengungen fixiert, was die Bekämpfung von AIDS und anderen Infektionskrankheiten anbelangt. Es gab eine amerikanische Initiative, der sich viele Länder angeschlossen haben, sodass wir sagen können, dass wir in den nächsten Jahren 60 Milliarden Dollar zusätzlich mobilisieren können.
 
Es ist aber heute bei dem Treffen mit den afrikanischen Vertretern auch deutlich geworden, dass das alleine nicht reicht, sondern dass man erwartet, dass wir auch unsere Beiträge leisten, was die Verbesserung der Institutionen anbelangt, dass man sich auch eine stärkere institutionelle Zusammenarbeit wünscht  - das ist auch mit den Japanern verabredet worden  -, wo man überprüft, wie weit die jeweiligen Versprechungen umgesetzt sind. Es ist von der afrikanischen Seite auch wieder sehr deutlich gesagt worden, dass auch sie weiß, dass Afrika im Rahmen der Millenniumsziele Verantwortung hat. Es ist also keine Einbahnstraße, sondern es ist ein intensiver Prozess. Einer der Vertreter hat das auch sehr schön gesagt. Er hat gesagt, dass Afrika nicht nur ein Kontinent ist, der so viele Krankheiten hat -  leider ist das auch so  -, sondern dass Afrika ein Kontinent ist, der eine Zukunft haben will, der sich entwickeln will, der Bildung braucht, der junge Leute hat, die motiviert sind, und dass das eigentlich die Dinge sind, die die afrikanischen Politiker umtreiben. Also unser Blick auf Afrika muss breiter werden. Das ist auch durch viele Aktionen hier im Umfeld sichtbar geworden.
 
Wir haben dann heute mit den Ländern der sogenannten O5-Gruppe gesprochen, und zwar insbesondere über zwei Themen. Einmal haben wir über die Frage gesprochen, welchen Beitrag sie zum Wirtschaftswachstum leisten und welche Sichtweise sie haben. Ich werde heute Nachmittag noch eine ganze Reihe von bilateralen Gesprächen mit Ländern aus dem O5-Bereich führen. Hier ist klar geworden, dass der Einfluss dieser Länder natürlich zunimmt und dass die Erwartungen an faire Regeln auch wirklich groß sind.
 
Zum Zweiten haben wir sehr intensiv über den Heiligendamm-Prozess gesprochen. Wir haben ein Dokument verabschiedet, in dem sich alle auf der Plattform der OECD für die nächsten zwei Jahre diesem Prozess verpflichtet fühlen. Auch hier ist wieder deutlich geworden, dass man sich nicht nur einmal im Jahr treffen muss -  und sonst immer bilateral -, sondern es muss um bestimmte Themen sehr kontinuierlich gehen. Die OECD ist hierzu auch motiviert und bereit. Damit haben wir auch eine wirklich gute Plattform, denn mit den Themen kann man ja nicht immer Jahr für Jahr von der jeweiligen Präsidentschaft zur nächsten Präsidentschaft springen.
 
Wir haben dann über das Thema Klimaschutz gesprochen, also gemeinsame, aber unterschiedliche Verantwortung. Hier gehen die Meinungen schon noch ein Stück auseinander, wie die Verpflichtungen auszusehen haben. Aber auch hier habe ich wieder darauf hingewiesen, dass wir uns die Ziele gar nicht richtig aussuchen können, sondern die Ziele sind durch objektive Dinge gegeben. In diesem Geist werden wir dann auch weiter miteinander reden.
 
Wir haben außenpolitische Diskussionen zum Thema Naher Osten gehabt. Hier gibt es ein hohes Maß an Übereinstimmung, dass jede Chance genutzt werden muss, den Friedensprozess voranzubringen. Wir haben über Nordkorea und Iran gesprochen, wo es auch eine große Gemeinsamkeit der G8-Staaten gibt, was die Sanktionierung anbelangt. Wir fordern Nordkorea auf, hier die eingegangenen Versprechungen aus den Sechser-Gesprächen jetzt auch umzusetzen. Wir sind der Meinung, dass auch der Iran weiter darüber nachdenken sollte, lieber die Offerte, das Angebot, das wir ihm gemacht haben, zu nutzen, als weiter den Weg zu gehen, intransparent die Anreicherungsaktivitäten fortzusetzen. Die Antwort werden dann leider wieder Sanktionen sein. Wir haben deutlich gemacht, dass wir das eigentlich im Sinne der iranischen Bevölkerung nicht wollen, aber dass es keine Alternative dazu gibt.
 
Wir haben uns gestern ausführlich zu dem Thema Kosovo und Zukunft des Kosovo ausgetauscht. Hier gibt es noch unterschiedliche Auffassungen. Aber es wird schon nächste Woche auf der Ebene der Politischen Direktoren ein weiteres Gespräch geben, um dieses Thema zu lösen. Die Zeit drängt. Es muss eine Lösung her. Wir wollen, wenn irgend möglich, eine einvernehmliche Lösung schaffen.
 
Wir haben eine G8-Erklärung zu dem Zustand und der Situation in Darfur/Sudan verabschiedet. Ich war sehr froh, dass der Vorsitzende der Afrikanischen Union, Herr Kufour, auch im Namen der afrikanischen Staaten deutlich gemacht hat, dass man alles in der Kraft stehende tun will, um den Menschen dort vor Ort zu helfen. Das war eine sehr wichtige Sache.
 
Wir haben eben beim Mittagessen über ein eminent wichtiges multilaterales Thema gesprochen, nämlich über die Welthandelsrunde. Auf der einen Seite brauchen wir, um die Millenniumsziele zu erreichen, Entwicklungshilfe. Die ODA-Quote, der wir uns verpflichtet fühlen, ist das eine. Aber wir brauchen auf der anderen Seite natürlich auch Bedingungen dafür. Dazu gehört der faire Handel weltweit. Um Wirtschaftswachstum für die afrikanischen Staaten zu stabilisieren, ist ein Erfolg dieser Welthandelsrunde von größter Bedeutung. Das ist hier von allen Teilnehmern noch einmal gesagt worden. Wir kommen jetzt wirklich in die entscheidende Phase. Ich habe heute ein großes Bemühen gespürt, hier doch auch Ergebnisse zu erzielen. Ich werde heute Nachmittag noch mit dem brasilianischen Präsidenten und dem indischen Ministerpräsidenten sprechen. Sie sind wichtige Partner im Zusammenhang mit dieser Welthandelsrunde.
 
Dass ein solches Treffen Gelegenheit gibt, sich viel auch am Rande zu unterhalten und die persönlichen Kontakte zu vervollständigen und dass das mecklenburg-vorpommersche Wetter uns gewisse günstige Bedingungen eingeräumt hat, waren dann noch Effekte am Rande, die den Erfolg sicherlich nicht geringer gemacht haben. Ich glaube, es waren zwei wichtige Tage. Ich hoffe, dass unsere Gäste sich hier wohl gefühlt haben.
 
FRAGE: Frau Bundeskanzlerin, Sie haben heute mit den O5-Ländern über den Klimaschutz geredet. Sind denn die G8 bereit, den Schwellenländern eine Art Privilegierung einzuräumen, also eine Art Nachholeffekt anzuerkennen? Oder sagen sie "Wir müssen hier alle an einem Strang ziehen und versuchen, möglichst effektiv gemeinsam vorzugehen"?
 
BK´IN DR. MERKEL: Ich habe ja gesagt, dass wir uns ausdrücklich in unserem gestrigen Dokument dazu bekannt haben, dass wir gemeinsame, aber unterschiedliche Verantwortung haben. So wird auch jedes Abkommen aussehen. Es ist nur so, dass in einer nächsten Zeitperiode, also jenseits von 2012, natürlich die Emissionen der Schwellenländer einen gewaltigen Anteil an den Gesamtemissionen einnehmen werden. Es wird wahrscheinlich nur noch 30 % Emissionen aus den klassischen Industrieländern geben. Sie können natürlich (die Gesamtemissionen) schlecht bekämpfen, wenn Sie praktisch von 30 % alles verlangen und die anderen dürfen weiter wachsen. Das heißt, dass man natürlich an die Entwicklungs- und Schwellenländer andere Anforderungen stellen wird. Aber der chinesische Präsident hat heute darauf hingewiesen, dass die Emissionen pro Kopf im Durchschnitt in China heute wohl bei einem Drittel der Emissionen der entwickelten Industrieländer liegen.
 
Was heißt das? Wenn die Emissionen für 1,3 Milliarden Menschen auf der Welt 30 % pro Kopf betragen, dann werden wir natürlich jedem einräumen müssen, dass die Pro-Kopf-Emissionen in Europa nicht höher sein dürfen als die in China. Aber wenn wir sehr stark reduzieren, kommen wir natürlich auch sehr schnell in die Richtung der Hälfte. Wenn wir halbieren - und wir müssen das alleine schaffen  -, dann sind wir schon bei der Hälfte. Dann bedeutet das natürlich, dass China noch wachsen kann; aber auch nicht unbegrenzt. Das Ziel, das wir im Auge haben, orientiert sich an den Gegebenheiten des Wissenschaftsberichts der UN. Das heißt, wir haben gar keine Spielräume. Es geht nicht darum, wer wem was gönnt, sondern es geht darum, eine globale Gefahr zu verhindern. Diese globale Gefahr kann nur verhindert werden, wenn wir den objektiven Tatsachen Rechnung tragen.
 
Wir kommen dann an einen Punkt, wo man gedanklich das Problem nicht bekämpft hätte, selbst wenn die Industrieländer gar keine CO2-Emissionen mehr hätten. Es ist also eine objektive Notwendigkeit, dass wir Wachstum und CO2-Minderung zusammenbringen. Dass wir, was Geld, Technologietransfer und all diese Dinge anbelangt, eine viele höhere Verantwortung haben, ist vollkommen klar. Aber dass wir das gemeinsam besprechen müssen, ist auch klar.
 
FRAGE: Frau Bundeskanzlerin, noch zum Klima. Gab es in den Diskussionen  - beispielsweise mit dem amerikanischen Präsidenten  - Diskussionen darüber, ob das Ziel der Emissionsreduzierung mit dem gleichzeitigen Ausstieg aus der Kernkraft vereinbar ist?
 
Die andere Frage: Sie hatten ja gestern schon klar gemacht, dass Sie am Bestand von G8 festhalten und dieses Gremium nicht ausweiten wollen. Glauben Sie, dass das bei den O5-Staaten genauso gesehen wird? Oder gibt es bei einem Staat  - China, Indien, Brasilien - aus Ihrer Sicht möglicherweise Ambitionen, doch mittelfristig zu den G8 dazu zu gehören?
 
BK´IN DR. MERKEL: Erstens. Die deutsche Haltung zur Kernenergie ist unter den G8-Staaten eine absolute Minderheit. Insofern hat das natürlich am Rande eine Rolle gespielt. Die Positionen dazu sind aber gerade im vorigen Jahr in St. Petersburg sehr umfänglich ausgetauscht worden, weil es da mehr um Energiesicherheit und die Energieversorgung ging. Insofern hat es hier keinen weiten Raum eingenommen. Aber wir dürfen nicht glauben, dass wir damit sozusagen auf dem Hauptweg der Weltentwicklung sind, sondern wir gehören eher zu den Wenigeren.
 
Zweitens. Wir haben das Thema Erweiterung heute nicht explizit besprochen. Ich glaube schon, dass die Erwägungen der einzelnen Länder unterschiedlich sind. Im Übrigen glaube auch, dass es von Thema zu Thema unterschiedlich ist. Wenn wir über Klima sprechen, dann glaube ich, dass die Sehnsucht, zu den G8 zu gehören, nicht ganz so groß ist, als wenn wir über bestimmte Aspekte der Globalisierung oder über die grundlegende Weichenstellung für die nächste Welthandelsrunde sprechen. Das unterscheidet sich von Thema zu Thema. Es gibt schon auch noch eine gewisse Meinung, dass es richtig ist, dass die Länder, die vom Wohlstand her erheblich über den Ländern der O5 liegen, ein bestimmtes Verständnis der Globalisierung auch selber prägen und zuerst bei sich umsetzen. Insofern ist es auch, wie ich glaube, eine Position, die ein bisschen hin- und hergezogen ist.
 
Wichtig ist doch auf diesem Gipfel, dass zum ersten Mal ein strukturierter und auf Dauerhaftigkeit  - es sind jetzt zwei Jahre, und dann lernen wir daraus  - angelegter Prozess des permanenten Kontaktes organisiert ist. Ich glaube, dass die Botschaft ist, dass wir ohne einander nicht mehr auskommen und die Globalisierung nicht menschlich gestalten können. Die Botschaft existiert. Aber ich habe meine Meinung dazu, ob man das alles in einer Gruppe machen muss. Ich glaube, im Augenblick nicht.
 
FRAGE: Noch einmal zu den O5. Frau Merkel, gestern war ja schon die Schlusserklärung fertig. Auf der letzten Seite sprachen Sie auch diese Partnerschaft an und haben vier Punkte aufgezählt. Aber leider war es so, dass die O5 einigen dieser Punkte nicht zugestimmt haben, also Investitionsfreiheiten und Schutz von Innovationen. Die O5 wollten das nicht. Heute haben Sie nun ein weiteres Dokument vorgelegt, das einen anderen Wortlaut enthält. Können Sie denn einmal erläutern, was da passiert ist? Weshalb haben Sie gestern von Investitionsfreiheiten und Schutz von geistigem Eigentum gesprochen, im heutigen Dokument aber nicht?
 
BK´IN DR. MERKEL: Das kann ich Ihnen sehr einfach erklären: Weil wir gestern die Positionen formuliert haben, die die G8-Länder einnehmen und weil wir natürlich parallel dazu ein Dokument vorbereitet haben, das die Gemeinsamkeit von G8 und O5 beschreibt. Das heißt also, dass uns schon lange klar war, dass nicht jede Position, die die G8 zum Schutz des geistigen Eigentums und zur Investitionsfreiheit einnehmen, nun auch sofort eine Position ist, die wir mit China und Indien zu 100 % teilen. Manche Position teilen wir nur zu 60 oder zu 70 %. In dem Papier, das wir heute mit den Ländern Brasilien, China, Indien, Mexiko und Südafrika verabschieden haben, haben wir natürlich das aufgeschrieben, was unsere gemeinsame Meinung ist. Ich hatte den Eindruck, dass es gestern ein bisschen ein Missverständnis gab, als wenn wir schon etwas verabschiedet hatten, was erst heute in Anwesenheit der Länder verabschiedet werden kann.
 
Aber wenn wir die G8 sind, müssen wir natürlich unsere Meinung verabschieden können. Das war nichts, was wir den anderen vorweggenommen haben. Das Dokument, das wir heute (verabschiedet) haben, war auch vorbereitet und abgesprochen. Aber das hat uns gestern nicht interessiert, weil gestern ja unsere Gäste noch nicht da waren.
 
FRAGE: Zwei Fragen zum Thema Außenpolitik. Beim Thema Kosovo hatten Sie von "unterschiedlichen Auffassungen" gesprochen. Können Sie uns einen Zeitrahmen nennen, in dem eine Lösung herbeigeführt werden muss? Sie haben gesagt, es sei "dringend erforderlich".
 
Die zweite Frage bezieht sich auf Darfur. Was ist denn konkret bei dem Druck auf den Sudan herausgekommen, dort eine Zusammenlegung der beiden Missionen zuzugestehen? Wie weit geht denn die Unterstützung der G8 für den Aufbau einer afrikanischen Friedenstruppe?
 
BK´IN DR. MERKEL: Die Unterstützung der G8 für den Aufbau einer afrikanischen Friedenstruppe ist sehr ausgeprägt. Wir unterstützen die Afrikanische Union in vielfältiger Hinsicht. Wir unterstützen auch im Zusammenhang mit den Sudan-Missionen die Afrikanische Union in logistischer Art und Weise, was den Transport von Personen und Gütern anbelangt.
 
Die G8 sind kein Beschlussgremium. Beschlüsse müssen in der UNO fallen. Beschlüsse müssen woanders fallen. Ich habe mich vor wenigen Tagen - und nicht hier und heute - mit den UN-Generalsekretär unterhalten, der darum gebeten hat, noch etwas Zeit zu bekommen, um bestimmte Gespräche zu führen. Die Frage, wie eine solche UN-Mission im Sudan aussehen könnte, ist weit gediehen. Ich werde heute sicherlich auch mein Gespräch mit dem chinesischen Präsidenten noch einmal nutzen, um auch China zu bitten, alles das, was möglich ist, (zu tun), um auf den Sudan einzuwirken. Aber ich kann Ihnen natürlich vor dem Gespräch noch nicht berichten, wie das aussehen wird.
 
Zum Kosovo. Wir haben den Ahtisaari-Plan seit Ende Januar/Anfang Februar vorliegen. Es ist eine Regierung in Serbien gebildet worden. Ich kann mich jetzt nicht auf Tage oder Wochen festlegen. Es ist nur so: Es muss eine bestimmte Grundsatzentscheidung gefällt werden. Man kann noch daran arbeiten, wie man das modifizieren und erreichen kann. Wir sind nicht daran interessiert, dass das Ganze keine UNO-Grundlage hat. Das sollte es schon haben. Aber trotzdem ist es eine nicht einfache Lage. Auf eine Woche kommt es nicht an. Aber wir können jetzt auch nicht, wie manchmal gefordert wird, statt Herrn Ahtisaari noch eine neue Person hinschicken. Dann ergeben sich keine neuen Aspekte. Das heißt, man muss jetzt einfach intensiv daran arbeiten. Die Atmosphäre war trotzdem gestern von einem wirklich konstruktiven Herangehen geprägt.
 
FRAGE: Frau Merkel, wir haben über Darfur gesprochen, ein Problem, das mir sehr am Herzen liegt. Ich bin nicht aus Darfur, aber aus Afrika. Es geht um die Emissionsreduktion. Afrika ist in dieser Hinsicht am meisten betroffen. Das Problem Darfur ist nicht nur ein Problem der Menschen, die dort nicht leben können, sondern es betrifft auch andere Länder, die sich an der Grenze befinden. Es gibt grenzüberschreitende Probleme und auch das Emigrationsproblem. Was halten Sie davon, und was halten Sie von einem Schuldenerlass für die ganz armen Länder in Afrika?
 
BK'IN DR. MERKEL: Was wir dort machen werden, werden wir in Abstimmung mit der Afrikanischen Union machen, also in sehr enger Kooperation und nicht gegen die Wünsche der Afrikanischen Union. Das Zweite ist, dass wir natürlich alles daran setzen, jetzt unter dem Dach der UNO diese Mission hinzubekommen  - die Zeit drängt -, und dass wir uns finanziell daran beteiligen, also auch der UNO helfen, eine solche Mission voranzubringen.
 
Was den Schuldenerlass anbelangt, ist es so, dass wir bereit sind, weitere Schulden zu erlassen. Wir haben das 1999 bei der vorigen G8-Präsidentschaft Deutschlands in großem Umfang gemacht. Es gibt im Augenblick gar nicht mehr so viele Länder, in denen dieses Problem so ganz dringlich ist. Liberia ist ein solches Land. Darüber, welche Schritte dort zu unternehmen sind, habe ich auch mit der liberianischen Staatspräsidentin gesprochen. Diesbezüglich sind wir sehr offen. Präsident Kufuor hat das heute als Vorsitzender der Afrikanischen Union auch noch einmal angesprochen. Wo immer das notwendig ist, müssen zuerst einmal die multilateralen Schulden erlassen werden, was der erste mühselige Schritt ist, und erst anschließend gibt es die Möglichkeit, die bilateralen Schulden zu erlassen. Das heißt, man muss erst alle Leute finden, die multilateral mitgewirkt haben, und das lässt die Prozesse manchmal etwas länger dauern, als wenn Liberia nur bilaterale Schulden bei uns hätte. Dann hätten wir das nämlich jetzt schon machen können, aber wir müssen erst die multilateralen Schulden tilgen.
 
ZUSATZFRAGE: Zu den Emissionen: Man sieht die Ausbreitung der Wüsten, die Abholzung und andere Probleme. Afrika hat unter diesen Problemen besonders zu leiden. Was stellen Sie sich diesbezüglich für die Zukunft vor?
 
BK'IN DR. MERKEL: Das hat heute eine sehr große Rolle gespielt, z. B. die Bildung eines "Grünen Gürtels" in den Wüstenregionen, um die weitere Wüstenbildung zu verhindern. Wir waren uns einig, dass wir hierbei auch durch unsere Entwicklungshilfe helfen müssen. Präsident Wade aus Senegal hat eben darauf hingewiesen, dass wir sehr oft und viel über Aids sprechen, was wichtig ist, aber er hat anhand dieses Projekts deutlich gemacht, dass hiermit auch wirkliche Lebenschancen verbunden sind.
 
FRAGE: Ich habe zwei Fragen zu Afrika. Sie haben sich vorgenommen, relativ viel für Afrika zu machen und eine großartige Agenda zu setzen. Sie haben trotzdem zum Thema Gleneagles nur ein "recommitment" hinsichtlich der Entwicklungshilfe bekommen, keine neuen "commitments". Hinsichtlich neuer Mittel für die Behandlung von Aids haben Sie (sich auf) eine relativ vage Summe in Höhe von 60 Milliarden Dollar ohne einen genauen Zeitraum (geeinigt). Ist das tatsächlich genug, um Afrika richtig zu helfen?
 
BK'IN DR. MERKEL: Erstens kann der Sinn von G8-Treffen nicht darin bestehen, jedes Jahr neue Ziele zu verabschieden, sondern (der Gipfel von) Gleneagles hat sich des Themas Afrika in einer sehr umfassenden Weise angenommen, und nun muss man einmal sehen, wie man das umsetzen kann. Die Afrikaner haben von uns auch gar nicht verlangt, dass wir jetzt wieder neue Ziele vereinbaren, sondern sie haben gesagt: Wir wollen mit euch auf einen transparenten Weg gehen, auf dem wir überprüfen, wo wir bei der Umsetzung dieser Ziele stehen.
 
Zweitens sehen Sie, wenn Sie unser Afrika-Papier sehen, dass es sich nicht nur auf Geld beschränkt, sondern die große Frage sein wird, was mit diesem Geld zum Schluss erreicht wird. Man hat sich die Zahlungen vorgenommen, damit man damit etwas erreichen kann, nämlich dass die Armut halbiert wird, dass die Bildungssituation verbessert wird, dass die Gesundheitsinstitutionen aufgebaut werden, dass die Länder regierungsfähig sind, dass die Afrikaner sich selbst beurteilen - das ist eine sehr optimistische Haltung  - und Mechanismen entwickeln. Der Aufbau von Institutionen ist also mindestens so wichtig wie die Frage von immer neuen Versprechungen. Wir haben heute z. B. auch darüber gesprochen, dass die multilaterale Hilfe im "Global Fund", also in diesem globalen Fonds, der sich mit der Bekämpfung von Infektionskrankheiten beschäftigt, verstetigt wird und man dort nicht jedes Jahr um die Mittel und darum bangen muss, ob man weiterarbeiten kann. (Diese multilaterale Hilfe) ist mindestens genauso wichtig. Diesbezüglich ist Deutschland auch eine ganz klare Verpflichtung eingegangen.
 
Dass wir zusätzlich zu dem, was schon vereinbart worden war, in den nächsten Jahren noch einmal 60 Milliarden Euro für die Bekämpfung von HIV und Aids ausgeben werden, ist auch noch einmal ein Beitrag. Aber unter dem Strich wird 2010 und 2015 geschaut werden, ob wir die Gesamtverpflichtungen eingehalten haben, und zweitens wird geschaut werden, ob dieses Geld irgendwo versickert ist und zu nichts bzw. zu zu wenig geführt hat, oder ob mit diesem Geld so umgegangen wurde, dass man guten Gewissens sagen kann "Daraus ist das Maximum gemacht worden". Das ist für uns in den entwickelten Ländern wichtig, weil unsere Bürger ansonsten fragen "Warum gebt ihr so viel Geld dorthin?".
 
Die Europäische Union  - der Kommissionspräsident hat das heute noch einmal vorgetragen  - zahlt 55 % der Gesamthilfe für den afrikanischen Kontinent. Das ist mindestens so wichtig wie die Frage, was mit diesem Geld passiert und ob damit das passiert, was die Afrikaner wollen, was richtig und was wichtig ist. Das umfasst unser Afrika-Papier. Deshalb geht das darüber weit hinaus.
 
FRAGE: Frau Bundeskanzlerin, wurden die letzten Drohungen des iranischen Präsidenten gegenüber Israel, dass der Countdown zur Zerstörung Israels begonnen habe, in irgendeiner Weise diskutiert? Wie reagieren Sie darauf?
 
BK'IN DR. MERKEL: Ich finde, dass die Sprache des iranischen Präsidenten gegenüber Israel vollkommen inakzeptabel ist. Es ist dramatisch, dass das auch immer wieder wiederholt wird. Das ist genau einer der Gründe dafür, dass wir mit Entschlossenheit und auch mit Geschlossenheit der Weltgemeinschaft reagieren und die Sanktionsresolutionen im UN-Sicherheitsrat immer wieder verabschiedet haben. Aber das ist durch nichts in irgendeiner Weise zu entschuldigen und völlig inakzeptabel.
 
FRAGE: Frau Merkel, lassen Sie mich daran anschließen. Sie sagten, Sanktionen sind unausweichlich, wenn der Iran nicht noch einlenkt. Das ist nicht das erste Mal, dass die Sanktionen verschärft werden. Wie müssen denn konkrete Sanktionen aussehen, damit sie nicht ein inflationäres und stumpfes Schwert sind?
 
Die zweite Frage dreht sich noch einmal kurz um das Klima. Sie haben heute mit den O5-Ländern gesprochen. Inwieweit haben die sich konkret dazu bereit erklärt, in einer nächsten Runde konkrete, wenn auch andere Beiträge zum Klimaschutz zu leisten?
 
BK'IN DR. MERKEL: Ich habe es gestern schon einmal gesagt: Das ist hier kein Klimaverhandlungsgipfel, auf dem wir Verhandlungen führen. Die O5-Länder haben heute gesagt, dass sie bereit sind, auch für sich Verpflichtungen zu akzeptieren. Das ist aber nicht mit Reduktionsverpflichtungen gleichzusetzen, sondern sie haben ein Wirtschaftswachstum und wollen dieses Wirtschaftswachstum natürlich auch nicht eindämmen. Ich denke, man muss mit ihnen darüber reden. Aber diese Verhandlungen habe ich heute, wie gesagt, nicht geführt, darüber, dass man  - ähnlich, wie es bei uns geklappt hat  - eine Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und der Frage der CO2-Emissionen und deren Anstieg hinbekommt. Es gibt viele Industrieländer, in denen sich das Bruttoinlandsprodukt in den letzten 20 Jahren vielleicht verdoppelt hat und in denen trotzdem nicht mehr CO2 ausgestoßen wird. Das heißt, man kann sehr viel schaffen, einfach durch eine höhere Energieeffizienz. Die Chinesen haben z. B. noch einmal darauf hingewiesen, dass sie sich vorgenommen haben, die Energieeffizienz bis 2020 um 20 % zu verbessern. Das heißt, das ist auch eine quantitative Vorgabe, die in diesem Zusammenhang schon sehr interessant ist und über die man sicherlich auch weiterhin sprechen kann.
 
Zum Iran: Ich bin der Meinung, dass wir die Bemühungen fortsetzen müssen. Sie sind diplomatischer Natur und bleiben diplomatischer Natur. Man kann nie genau ermessen, welche Wirkungen das hat. Man kann nicht sagen "Ich mache jetzt nur noch eine Resolution, wenn ich ganz sicher bin, dass ich Erfolg habe", sondern man muss Schritt für Schritt vorgehen. Manchmal geschehen auch Dinge, die man gar nicht mehr erwartet hat, oder sie geschehen zu einem anderen Zeitpunkt als zu dem, an dem man sie erwartet hat. Die Mauer in Berlin ist auch nicht zu dem Zeitpunkt gefallen, an dem alle nur dagesessen und gesagt haben "Weil wir diese und jene letzten Maßnahmen im Umgang mit der DDR und der Sowjetunion gewählt haben, wissen wir nun, dass die Mauer unbedingt fallen muss". So funktioniert Politik nicht. Deshalb macht man das, wovon man überzeugt ist, und eines Tages passiert auch einmal das, was man sich wünscht. Aber es ist sehr schwer, in solche abgeschlossenen Ländern hineinzublicken, (um zu sehen,) was welche Wirkung hat. Aber eines weiß ich: Wenn wir diesbezüglich nicht immer wieder gemeinsam agieren, dann wird mit Sicherheit nicht das Richtige im Iran passieren.
 
FRAGE: Frau Merkel, ich bin Korrespondentin eines chinesischen Fernsehsenders aus Hongkong. Glauben Sie mit Blick auf den Dialog mit den Schwellenländern wie z. B. China, dass dieser G8-Gipfel in Heiligendamm ein großer Erfolg ist? Sie werden demnächst mit dem chinesischen Staatspräsidenten sprechen. Welche Themen außer der Lage im Sudan werden Sie noch ansprechen?
 
BK'IN DR. MERKEL: Ich glaube, dass das hier ein Erfolg ist, weil wir mit diesem Heiligendamm-Prozess einfach qualitativ eine neue Stufe der Kooperation begründet haben, den wir natürlich jetzt erst einmal ausprobieren, aber von dem ich glaube, dass er sehr, sehr gute Chancen hat, uns viel enger zusammenzubringen.
 
Zweitens glaube ich, dass wir bilateral mit dem chinesischen Präsidenten natürlich die Themen China-Deutschland, Innovationen und die Frage besprechen werden, welche gemeinsamen Projekte wir haben. Ich werde Ende August nach China fahren und freue mich natürlich schon auf diesen Besuch. Wir werden mit Sicherheit auch noch einmal über das Thema Afrika und über das Thema Naher Osten sowie den Friedensprozess sprechen. China hat sich z. B. immerhin auch bei der UNIFIL-Mission beteiligt. Ich vermute also einmal, dass die Zeit nicht reichen wird, um alles zu besprechen, was uns interessieren könnte. Deshalb ist meine Reise im August auch sehr sinnvoll. Ich werde mich natürlich erkundigen, wie die Gesamtlage ist, was Wirtschaftswachstum und die Entwicklung in China anbelangt.
 
FRAGE: Frau Bundeskanzlerin, es wurde heute sehr viel über Afrika gesprochen. Das hat bei Ihnen sicherlich den Wunsch geweckt, auch selbst einmal den Kontinent zu bereisen. Im Vorfeld wurde auch bekannt, dass Sie das vorhaben. Können Sie Genaueres zu Ihren Reiseplänen sagen?
 
In der Gipfelerklärung ist jetzt ausdrücklich festgelegt worden, dass der lang erwartete EU-Afrika-Gipfel im Dezember in Lissabon stattfinden soll. Können Sie etwas dazu sagen, wie das alte Problem der Teilnahme von Herrn Mugabe gelöst worden ist, sodass man diesen Gipfel jetzt endlich stattfinden lassen kann?
 
BK'IN DR. MERKEL: Wir waren der Überzeugung, dass wir unbedingt (dafür sorgen) müssen, dass ein EU-Afrika-Gipfel stattfindet und dass wir nicht das Thema Simbabwe als Entschuldigung dafür nehmen, dass er nicht stattfindet. Das heißt, es wird jeder eingeladen, und jetzt wollen wir einmal schauen, wie die Leute hinkommen werden. Aber es kann ja nicht sein, dass wir mit einem ganzen Kontinent nicht zusammenarbeiten können, weil es irgendwo ein Regime gibt, das natürlich unaussprechliche Dinge macht; das ist gar keine Frage. Aber darunter können nicht 53 andere Länder leiden.
 
Was meine Afrika-Reise anbelangt, so kann ich Ihnen zwei Dinge sagen: Ich werde auf jeden Fall nach Äthiopien zum Sitz der Afrikanischen Union und nach Südafrika fahren. Die Zwischenstationen kann ich noch nicht ganz genau benennen. Das wird, glaube ich, Anfang Oktober sein.
 
FRAGE: Frau Bundeskanzlerin, Sie haben auch über das Kosovo gesprochen. Präsident Sarkozy hat gestern einen Vorschlag zu der Lösung der Kosovo-Frage gemacht. Wie wurde dieser Vorschlag in der Runde aufgenommen?
 
Gleich danach hat auch die albanische Führung im Kosovo mit einem Appell an die G8-Länder reagiert, die Kosovo-Entscheidung nicht zu verschieben. Welche Botschaft kann man am heutigen Tag an das Kosovo senden?
 
BK'IN DR. MERKEL: Man kann die Botschaft senden, dass wir intensiv daran arbeiten; dass wir nach der Entscheidung auch wirklich eine Chance darauf haben, dass die friedliche Entwicklung weitergeht. Die entscheidende Frage ist doch nicht, ob man sechs Monate, vier Monate oder drei Monate wartet  - wenn man dann genau so weit wie heute wäre, dann hätte das ja keinen Zweck  -, sondern die entscheidenden Fragen sind: Kann man, wenn man noch eine Zeit des Wartens einlegt, sagen, dass wir vorankommen? In welcher Frage wollen wir vorankommen? – Wenn diese Fragen nicht beantwortet sind, ist es schwierig, jetzt, wenn man nicht voran kommt, einen Zeitraum zu definieren.
 
ZUSATZFRAGE: Was ist mit dem Vorschlag von Präsident Sarkozy?
 
BK'IN DR. MERKEL: Ich habe ja darüber gesprochen. Der Vorschlag war der, dass man ein bisschen Zeit lässt, und das ist vom Prinzip her nichts Schlechtes. Man muss nur wissen, was man in dieser Zeit tut. Darüber finden jetzt die Gespräche mit den politischen Direktoren statt. Die Frage, wie die Kosovo-Albaner das beurteilen, hängt auch davon ab, ob sie den Eindruck haben, dass dann entschieden werden kann. Das Problem des Kosovo und Serbiens ist ja nicht neu, und es wird nicht daran scheitern, dass es zwei oder drei Wochen länger dauert, aber es könnte scheitern, wenn man die Zeit einfach nur verstreichen lässt und nichts tut.
 
FRAGE: Haben Sie diskutiert, ob die G8 zu G9 oder G10 erweitert werden sollen, insbesondere unter dieser Präsidentschaft? Falls nicht, warum nicht?
 
BK'IN DR. MERKEL: Wir haben es deshalb nicht diskutiert, weil wir gerade den Heiligendamm-Prozess entwickelt haben. Der (beinhaltet) genau eine engere, institutionalisierte Kooperation der G8 mit fünf Ländern. Ich glaube, dass es ziemlich viel Verwirrung auslösen würde, wenn man aus den O5 wieder ein Land herausnehmen und sagen würde "Wir machen G9 plus O4". Das erscheint mir keine gute Idee zu sein. Deshalb gehen wir den anderen Weg, dass wir das näher aneinander heranführen. Deshalb haben wir auch die Frage einer G9 oder G10 gar nicht diskutiert.
 
FRAGE: Frau Bundeskanzlerin, kann man nach diesem Gipfel erkennen oder feststellen, ob Russland und westliche Länder bei der Lösung der größten, wichtigsten Problemfelder bzw. Fragen - z. B. Raketenabwehr in Osteuropa, Kosovo-Frage, die Frage der Menschenrechte, ein Abkommen zwischen der EU und Russland   zumindest einen Schritt nach vorne gegangen sind?
 
BK'IN DR. MERKEL: Ich glaube, dass man das schon insgesamt so beantworten kann, dass ich dazu Ja sagen kann. Vor allen Dingen war wichtig, dass das Ganze in einer konstruktiven Atmosphäre stattgefunden hat. Ich habe ja vorhin gesagt, dass ich möchte, dass niemand in der Ecke steht und dass hier keine faulen Kompromisse eingegangen werden. Ich glaube, beides ist eingehalten worden. Es ist hier nie jemand in eine Ecke gestellt worden. Das gehört sich nicht, wenn man in einer Gruppe Lösungen finden will. Das führt im Übrigen auch nicht zu Lösungen. Insofern würde ich die Frage mit Ja beantworten, aber damit sind natürlich nach zwei Tagen noch nicht alle Probleme, die die Welt hat, gelöst. Aber wir sind schon ein Stück vorangekommen.
 
FRAGE: Frau Bundeskanzlerin, es scheint, Sie schicken alle wichtigen Männer sehr glücklich von Heiligendamm nach Hause  - außer einen, nämlich Bono, den Sänger von U2. Er sagte nach seinem "Afrika-Aid"-Gespräch mit Ihnen, er sei sehr deprimiert. Was haben Sie ihm gesagt, das so deprimierend war?
 
BK'IN DR. MERKEL: Ich glaube nicht, dass er so deprimiert war, dass er gestern sein Konzert nicht mehr hätte machen können; das war ja sehr schön.
 
Bono, um das ganz ernst zu beantworten, und auch Bob Geldof haben mit DATA eine sehr interessante Grundlage zu verfolgen, nämlich die Frage, wie die Implementierung der Beschlüsse und der Verpflichtungen, die wir alle einmal eingegangen sind, vorangeht. Dabei gibt es keinen Zweifel daran, dass wir uns bewegen und dass wir große Anstrengungen unternehmen. Das hat Bono auch nie in Frage gestellt. Aber ich kann ihm bis heute noch nicht lückenlos sagen, wie wir das bis 2010 genau schaffen werden. Er wäre weniger traurig davon gegangen, wenn ich gesagt hätte "Wir machen es so, und ich kann Ihnen auch schon den Haushalt für 2009 und für 2010 beschreiben". Das kann ich nicht, weil wir ein Parlament haben und weil ich nicht weiß, wie sich die Steuereinnahmen entwickeln, welche neuen Finanzinstrumente wir vielleicht noch finden; ich habe von der CO2-Zertifizierung gesprochen. Dazu kenne ich die Details noch nicht. Für ihn wäre es schöner gewesen, wir hätten sozusagen bereits die unbestimmte Lücke geschlossen.
 
Aber was ich ihm mit auf den Weg gegeben habe - das, glaube ich, nimmt mir Bono auch ab -, ist, dass ich alles tun werde, um das, was früher einmal versprochen wurde, auch umzusetzen. Aber er weiß auch, dass das alles andere als einfach ist. Manchmal verspricht sich etwas leichter, als es ist, wenn man sich dann, wenn man mit der Umsetzung betraut ist, darum kümmern muss. Aber ich will das, weil Vertrauen sozusagen die Grundlage für eine Kooperation mit Afrika ist und ich nicht möchte, dass Europa oder die G8-Länder diejenigen sind, die etwas versprochen und es nicht gehalten haben. 
 
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