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Klimawandel trifft Entwicklungsländer am härtesten

Do, 05.04.2007
Am stärksten leiden die Länder unter dem Klimawandel, die ihn am wenigsten zu verantworten haben. Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul fordert deshalb in der "Frankfurter Rundschau": Auch die Entwicklungspolitik muss sich künftig noch mehr am Klimaschutz orientieren.


Das Interview im Wortlaut:

Frankfurter Rundschau: Die Experten der Vereinten Nationen haben in dieser Woche vor einer Klimakatastrophe in den Entwicklungsländern gewarnt - zum wiederholten Mal. Inwiefern werden solche Appelle zur Kenntnis genommen?

Wieczorek-Zeul: Zumindest in den letzten Jahren nicht so, wie es nötig gewesen wäre. Ausgerechnet diejenigen leiden am meisten unter dem Klimawandel, die ihn am wenigsten zu verantworten haben. Auswirkungen wie Wassermangel, Dürren oder Stürme sind für die Entwicklungsländer dramatisch.
 
Der Klimawandel ist das Sicherheitsrisiko Nummer eins in der Welt. Die bisherige Energieerzeugung in den Industrieländern ist ein dauernder schwerer Angriff auf die Lebensbedingungen der Menschen in den ärmsten Ländern - vor allen in Afrika. Wir müssen alle Kräfte bündeln, um den Prozess zurück zu drängen.

Frankfurter Rundschau: Die Gefahr ist lange bekannt. Woran liegt es, dass den Worten bislang so wenig Taten gefolgt sind?

Wieczorek-Zeul: Es ist richtig, dass es die Diskussionen schon vor 15 Jahren gab. Eine langfristige Veränderung bedeutet eben, auch vor der eigenen Haustür zu kehren und das wird gern verdrängt. Und natürlich gibt es organisierte Interessen, die dazu beitragen, die bestehenden Systeme der Energieerzeugung und -nutzung fortzusetzen...

Frankfurter Rundschau: ... wie die Lobby der Auto- oder Ölkonzerne ...

Wieczorek-Zeul: Andererseits hat die Bundesregierung deutliche Signale gesetzt - auch in Richtung USA - indem sie sich auf eine Reduzierung von Treibhausgasen bis zu 30 Prozent festgelegt und dies in der Europäischen Union verankert hat. Die Industrieländer sind verpflichtet, ihren Schadstoff-Ausstoß radikal zu reduzieren, das muss von einer globalen Gemeinschaftsinitiative getragen werden.

Frankfurter Rundschau: Schwellenländer wie China kritisieren, dass die westlichen Industriestaaten ihre eigenen Klimavorgaben nicht einhalten und weltweit die größten Kohlendioxid (CO2)-Emittenten sind. Die Eindämmung durch den Emissionshandel funktioniert bislang nicht; der Schadstoffausstoß nimmt weiter zu.

Wieczorek-Zeul: Die Kritik richtet sich sicher am stärksten an die Adresse der USA, die sich als der bei weitem größte Kohlendioxid-Verschmutzer weltweit noch an keinem Klima-Protokoll beteiligt haben. Es ist eindeutig, dass weltweit praktischeres Handeln notwendig ist. Mit unseren Beschlüssen zur CO2-Senkung sind wir als Bundesregierung aber schon an der Spitze.

Frankfurter Rundschau: Vielen Klimaexperten reicht das nicht - zusätzlich holen China oder Indien beim CO2-Ausstoß auf. Wie lassen sich diese Länder in den Klimaschutz einbeziehen?

Wieczorek-Zeul: Wir kooperieren mit allen Schwellenländern - vor allem mit China und Indien, um erneuerbare Energien und die effizientere Energie-Nutzung voranzubringen. Dies tun wir vor allem mit günstigen Krediten.


Frankfurter Rundschau: China steht für eine ungehemmte Ausbeutung von Ressourcen, nicht nur im eigenen Land. Wie optimistisch sind Sie, dass eine Einbindung lang fristig funktioniert?

Wieczorek-Zeul: In China gibt es unterschiedliche Gruppen - sowohl in der Regierung als auch in der Gesellschaft. Viele Menschen setzen sich dort für ein Umsteuern ein, weil sie sehen, dass die Schäden dramatisch sind. Diese Tendenzen fördern wir durch unsere Arbeit.

 
Wirtschaftswachstum und unkontrollierter Energieverbrauch - und damit Umweltverschmutzung - müssen entkoppelt werden. Ich werde manchmal dafür kritisiert, dass ich die Zusammenarbeit mit China nach wie vor vorantreibe. Aber sie ist in unserem ureigenen Interesse.

Frankfurter Rundschau: Welche Hilfen müssen die Industrieländerden Entwicklungsländern anbieten?

Wieczorek-Zeul: Entwicklungspolitik muss sich künftig noch mehr am Klimaschutz orientieren. 20 bis 25 Prozent der Treibhausgasemissionen gehen auf die Abholzung der Regenwälder zurück. Deren Schutz ist deshalb ein Schwerpunkt unserer Entwicklungszusammenarbeit.

 
International müssen wir Wege finden, um Entwicklungsländer finanziell zu entschädigen, die der Abholzung Einhalt gebieten. Außerdem fördern wir in 35 Ländern Erneuerbare Energien und die effizientere Energienutzung - mit einem Volumen von 1,6 Milliarden Euro.

Frankfurter Rundschau: Die Vereinten Nationen weisen nicht nur auf die dramatischen Folgen des Klimawandels für die Menschen hin, sondern auch auf die hohen wirtschaftlichen Kosten. Die Industriestaaten müssen sich demnach auf umfangreiche und teure Hilfsprojekte einstellen. Was bedeutet das für die Entwicklungshilfe?

Wieczorek-Zeul: Die Industrieländer müssen in jedem Fall ihre finanziellen Hilfen aufstocken. Beispielsweise müssen Entwicklungsländer in Zukunft anders bauen, sie brauchen Straßen und Brücken, die Umweltbelastungen besser standhalten. Oder sie brauchen Unterstützung, um Menschen aus den Küstenregionen umzusiedeln, die von Überschwemmung bedroht sind.

Frankfurter Rundschau: Wie hoch müsste eine solche Aufstockung der Gelder sein?

Wieczorek-Zeul: Auf eine Summe kann ich mich nicht festlegen, das wäre zum jetzigen Zeitpunkt nicht seriös.

Frankfurter Rundschau: Und wie wollen Sie diese Aufstockung finanzieren?

Wieczorek-Zeul: Ich denke, dass wir beispielsweise eine Besteuerung von Flugbenzin prüfen müssen. Es ist der einzige Treibstoff, der nicht besteuert ist - und insofern subventioniert wird - obwohl er massive Klimaschäden hervorruft. In der Sozialdemokratie ist es Konsens, dass eine solche Steuer Sinn macht. Die Frage ist, ob man sie in der Europäischen Union durchsetzen kann; das ist zurzeit zweifelhaft.

Interview: Eske Hicken