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Rückenwind für Bali

So, 10.06.2007
Im Interview mit der "Welt am Sonntag" würdigt Bundesumweltminister Sigmar Gabriel die von Bundeskanzlerin Angela Merkel beim G8-Gipfel erreichten Klimaschutzvereinbarungen. Er mahnt an, dass die Klimaschutzziele in Deutschland kategorisch eingehalten werden müssen. Zugleich fordert er weitere Anstrengungen in der ökologischen Industriepolitik.


Das Interview im Wortlaut:

Welt am Sonntag: Herr Gabriel, vor dem Gipfel sagte die Kanzlerin, die Begrenzung der globalen Klimaerwärmung bis zum Jahr 2100 auf maximal zwei Grad sei nicht verhandelbar. Nun ist doch ein Kompromiss herausgekommen. Sind Sie dennoch zufrieden?

Sigmar Gabriel: Ich glaube, dass die Kanzlerin einen Durchbruch geschafft hat. In den vergangenen sechs Jahren haben sich die Vereinigten Staaten dem internationalen Klimaschutzprozess verweigert.
 
Sechs Jahre lang hat sich der US-Präsident geweigert, das Wort Kyoto-Protokoll überhaupt in den Mund zu nehmen. Jetzt sagt er, er will Ende des Jahres in Bali über ein Nachfolgeabkommen zum Kyoto-Protokoll verhandeln.
 
Das ist schon eine beachtliche Wende, die sicher auch viel damit zu tun hat, dass in den USA der Druck auf die Regierung gewachsen ist.

Welt am Sonntag: Umgekehrt könnten Sie auch sagen, der US-Präsident hat erreicht, was er erreichen wollte: Es gibt keine konkrete Zielvorgabe für Bali.

Gabriel: Natürlich wären wir in einigen Punkten gern noch weitergekommen. Trotzdem ist Heiligendamm ein Riesenschritt nach vom im Klimaschutz.
 
Alle G-8-Staaten wollen verbindliche Minderungsziele, sie bekennen sich zur Fortsetzung des Kyoto-Prozesses unter dem Dach der Vereinten Nationen, und sie befürworten die Halbierung der weltweiten CO2-Emissionen bis 2050.
 
Das gibt den internationalen Klimaverhandlungen im Dezember auf Bali Rückenwind. Klar ist aber auch: Bali wird zur Nagelprobe auf Heiligendamm.

Welt am Sonntag: In Ihrer Partei überwiegt jedoch die Skepsis. So sagen Ihr Staatssekretär Müller, der SPD-Fraktionsvize Kelber und der Träger des alternativen Nobelpreises, Scheer, übereinstimmend, das Ergebnis bleibe weit hinter den Erwartungen und Erfordernissen zurück.

Gabriel: Ich verstehe die Ungeduld, die dieser Einschätzung zugrunde liegt.
 
Wenn wir es nicht schaffen, bis 2050 die Hälfte der Treibhausgase zu reduzieren, dann drohen katastrophale Konsequenzen auf der Erde. Das ist so.
 
Und insofern kann ich nachvollziehen, dass manche von Heiligendamm enttäuscht sind.

Welt
am Sonntag: Moment mal, gerade sprachen Sie aber noch von einem Durchbruch...

Gabriel: Ja, aber ich wiederhole, dass auch wir sicher noch mehr erreicht hätten, wenn es nur nach uns gegangen wäre. Aber so einfach funktioniert es auf der politischen Ebene leider nicht.

 
Weltweiter Klimaschutz ist ein sehr mühsamer Prozess, bei dem es keine Mehrheitsentscheidung gibt. Wir müssen uns Schritt für Schritt im Konsens mit allen anderen fortbewegen.
 
Gerade deswegen muss man anerkennen, dass Heiligendamm ein Riesenschritt nach vorn ist, auch dann, wenn man sich gewünscht haben sollte, dass die Staats- und Regierungschefs aus den unbestreitbaren Befunden der Wissenschaft noch deutlichere Konsequenzen ziehen würden.

Welt am Sonntag: Am Montag werden Sie sich mit 20 Umweltministern aus aller Welt in Lappland zusammensetzen. Was verhandeln Sie da?

Gabriel: Dort werden wir mit den Vorbereitungen der Klimakonferenz von Bali beginnen. Wir wollen informell darüber beraten, wie ein Verhandlungsauftrag für Bali aussehen muss.
 
Da wird über verpflichtende Ziele der Industrienationen ebenso gesprochen wie über freiwillige Ziele von Entwicklungsländern.

Welt am Sonntag: Wie wird sich denn das G8-Ergebnis auf die deutsche Innenpolitik auswirken?

Gabriel: Jetzt muss die Bundesregierung zeigen, dass wir unsere eigenen Klimaschutzziele ohne Wenn und Aber umsetzen. Wir haben ein ehrgeiziges Klimaschutzprogramm.
 
Aber im Arbeitsalltag erlebe ich immer wieder, dass einige Ministerpräsidenten und das Wirtschaftsministerium Sand ins Klimaschutzgetriebe streuen. Damit muss jetzt Schluss sein.

Welt am Sonntag: Was erwarten Sie von der Kanzlerin?

Gabriel: Ich gehe davon aus, dass sie uns weiterhin so tatkräftig wie bisher unterstützt.


Welt am Sonntag: Aber müsste die Kanzlerin denn nicht ein Signal nach innen senden, indem sie mehr Geld für Forschung und Entwicklung im Klimaschutz ausgibt?

Gabriel: Ich glaube, dass wir in Zukunft erheblich mehr in den Klimaschutz investieren müssen als bisher. Lassen Sie sich vom nächsten Bundeshaushalt überraschen!


Welt am Sonntag: US-Firmen arbeiten fieberhaft daran, die Führung in der Umwelttechnologie zu übernehmen. Wie weit sind die, und sind sie eine Gefahr für unsere Wirtschaft?

Gabriel: Wettbewerb ist nie eine Gefahr, sondern belebt das Geschäft. Tatsache ist allerdings, dass Deutschland seine Führungsrolle nur dann behalten kann, wenn wir sehr strukturiert mit unseren Unternehmen zusammenarbeiten und das umsetzen, was wir ökologische Industriepolitik nennen.
 
Wir müssen definieren, welche Märkte es gibt, welche Voraussetzungen unsere Unternehmen brauchen. Und wir müssen ihnen helfen, auf dem Weltmark noch besser präsent zu sein.
 
Nicht nur die Amerikaner holen auf, auch die Japaner und die Australier sind uns auf den Fersen.

Das Gespräch führte Günther Lachmann.