am 11. Juli 2007 in Ludwigsburg
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, lieber Günther Oettinger,
sehr geehrte Frau Ministerin, liebe Tanja Gönner,
liebe Vorgänger im Amt des Umweltministers von Baden-Württemberg,
lieber Ministerpräsident a. D. Lothar Späth, der dieses Amt eingeführt hat,
liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Umweltministeriums,
meine Damen und Herren,
meine Anwesenheit heute ist nicht nur darauf zurückzuführen, dass ich gerne Reden zu 20-jährigen Bestehen von Umweltministerien halte – das habe ich voriges Jahr schon einmal auf Bundesebene getan; ich tue dies heute auch hier sehr gerne wieder –, es ist auch eine kleine Hommage an das Land Baden-Württemberg, an seine Fähigkeit, Umwelt und Wirtschaft zusammenzubringen, und an Ihre Ministerin, deren Arbeit ich sehr schätze.
Meine Damen und Herren, wenn wir auf 20 Jahre Umweltpolitik zurückblicken – Günther Oettinger hat eben einen Rückblick gehalten –, dann können wir feststellen, dass in dieser Zeit, was unser Land anbelangt, sehr vieles geschehen ist, sehr vieles gelöst oder zumindest auf einem sehr guten Wege ist.
Ich habe den Medien entnommen, dass die Landesregierung von Baden-Württemberg gestern das Erneuerbare-Wärme-Gesetz sozusagen als "Geburtstagsgeschenk" für das hiesige Umweltministerium beschlossen hat. Das ist wieder einmal ein Meilenstein, bei dem ich glaube, dass andere Länder nachziehen werden. Da dies auch zu den Themenbereichen passt, die uns jetzt in besonderer Weise bewegen und auch in den nächsten Jahren bewegen werden, bin ich sehr froh, dass das Land Baden-Württemberg hier eine Vorreiterrolle übernimmt. Ich denke, das wird Schule machen und sich auch in anderen Ländern herumsprechen. Baden-Württemberg ist ja auch das Land der Häuslebauer. Ich glaube, auch wenn jetzt vielleicht so mancher über die harten Vorgaben gemurrt hat, das Erneuerbare-Wärme-Gesetz wird unter dem Strich vielleicht doch dazu führen, dass gerade Unternehmen aus Baden-Württemberg Maßstäbe in ganz Deutschland setzen können.
Wir haben nach langer Diskussion inzwischen das Staatsziel des Umweltschutzes in Artikel 20a unseres Grundgesetzes verankert. Dort heißt es: "Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen …" Was uns dabei leitet, ist die Frage, ob auch die, die nach uns auf der Erde leben werden, die in einigen Jahrzehnten oder Jahrhunderten das Leben auf der Erde gestalten werden, weiter in der Schöpfung, so wie sie uns heute zur Verfügung steht, leben können. Die Frage lautet: Welche Welt vererben wir? Ich glaube, das ist nicht nur eine technische, eine materielle Frage, sondern es ist eine zutiefst moralische Frage, die auch darauf hinweist, dass Umweltpolitik eine Querschnittsaufgabe ist. Es ist eine Aufgabe, die etwas mit Einstellungen zum Leben zu tun hat, die etwas mit der Fähigkeit zu tun hat, über das eigene Leben hinaus zu denken, eine Aufgabe, an der sich jeder Einzelne beteiligen muss.
Deshalb glaube ich, dass Umweltpolitik heute zu den zentralen Politikfeldern gehört und nur gestaltet werden kann, wenn wir uns von klaren Wertvorstellungen und klaren Prinzipien leiten lassen. Ganz wichtig sind – ich glaube, ein Stück davon hat sich in ziemlich harsch geführten und zum Teil auch sehr harten Auseinandersetzungen herausgebildet – gemeinsame Wertegrundlagen, auch über Parteigrenzen hinweg, die dazu führen, dass langfristig angelegte Politik nicht von Legislaturperiode zu Legislaturperiode vom Kopf auf die Füße und wieder von den Füßen auf den Kopf gestellt werden muss, sondern dass es Leitprinzipien gibt, die über die Zeiten hinweg Bestand haben.
Das hat mit einem Grundgedanken zu tun, der in der Umweltpolitik heute selbstverständlich ist. Das ist der Gedanke der nachhaltigen Entwicklung. Das ist ein Begriff, der leider nach wie vor nicht zu den populärsten gehört. Die Englischsprachigkeit ist hier noch nicht so weit durchgedrungen, dass "sustainable" viel populärer als "nachhaltig" wäre. Der Begriff "nachhaltige Entwicklung" kommt aus dem Bereich der Forstwirtschaft. Es ist also ein Begriff, der zutiefst mit unseren eigenen Ressourcen zu tun hat. Denn die Forstwirtschaft und der Wald sind ja identitätsstiftende Kennzeichen Deutschlands.
Dieses Prinzip der Nachhaltigkeit hat sich aus der Forstwirtschaft über die Umweltpolitik in alle Politikfelder übertragen. Im Finanzbereich spricht man heutzutage – der Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg ist ja für die Länderseite mit der Föderalismusreform II befasst – von einer nachhaltigen Finanzpolitik. Wir wissen, dass wir unsere Sozialsysteme nachhaltig aufbauen müssen. Das heißt, der Begriff der Nachhaltigkeit reicht weit über den Gedanken des Schutzes der natürlichen Ressourcen hinaus, bis hinein in den Bereich der humanen Ressourcen. Wir haben also über das Prinzip der Nachhaltigkeit im Grunde ein Definitionsmerkmal, ein Kennzeichen dafür, was Fortschritt in unserer Gesellschaft bedeutet. Fortschritt muss nämlich der Bedingung genügen, dass die Natur und unsere ökologischen Systeme die Veränderungen auch wirklich dauerhaft tragen können.
Wir haben im Laufe der Jahre die Erfahrung gemacht, dass Umweltpolitik in unglaublichem Maße – bei Günther Oettinger ist es schon angeklungen – auch Innovationspolitik ist. Das, was früher manchmal als Verhinderung aufgefasst wurde, hat sich im Grunde als Prinzip einer Innovationsnotwendigkeit herausgestellt. Wir haben dann erlebt, dass diese Verbindung zwischen Nachhaltigkeit und Innovation letztendlich in vielen Bereichen Deutschland und seiner wirtschaftlichen Entwicklung gut getan hat. Was wir vor 30, 40 Jahren für undenkbar gehalten haben, nämlich dass man zum Beispiel Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch entkoppeln kann, ist heute selbstverständlich geworden. Wir haben sogar die sehr interessante Beobachtung gemacht – wenn man kurz darüber nachdenkt, leuchtet dies auch ein –: Je höher in einer Gesellschaft, in der Energieverbrauch und Wirtschaftswachstum entkoppelt sind, das Wirtschaftswachstum ist, umso schneller lässt sich die Energieeffizienz steigern. Das heißt, es lohnt sich, sich an Wirtschaftswachstum zu orientieren, weil damit gleichzeitig die Effizienz des Ressourcenverbrauchs steigt. Wir haben deshalb allen Anlass, Umweltpolitik und Schaffung von Arbeitsplätzen alles andere als in einem Gegensatz zu sehen; vielmehr ergänzt sich beides. Ich glaube, dass für Deutschland hier erhebliche Möglichkeiten und Ressourcen bestehen.
Wir können, wenn wir uns die Themen anschauen, eine Veränderung im Bereich der Umweltpolitik feststellen. Ich möchte heute hier auf zwei Themen näher eingehen: Zum einen auf das Thema "Klimaschutz" und zum anderen auf das Thema "Schutz der biologischen Vielfalt". Beide Themen liegen mir sehr am Herzen. Und ich glaube, sie sollten uns allen sehr am Herzen liegen.
Als vor 20 Jahren das Umweltministerium Baden-Württemberg gegründet wurde, als insgesamt Umweltministerien Einzug in die Politik gehalten haben, waren noch nicht alle Auswirkungen der Globalisierung, wie wir sie heute kennen, vollkommen sichtbar. In dieser Zeit, Mitte der 80er Jahre, gab es Katastrophen wie in Tschernobyl, es gab die Vorboten eines immer engeren Zusammenwachsens der Wirtschaft und neue technische Möglichkeiten, natürlich vorangetrieben durch das Internet. Bei der großen Versammlung in Rio von 1992 wurde dann zum ersten Mal spürbar, dass die Staaten der Welt eine gemeinsame Verantwortung auszuüben haben. Es ist unter dem Dach der UNO gelungen, verschiedene Konventionen zu verabschieden. Dazu gehört die Klimarahmenkonvention, dazu gehört auch die Konvention zum Schutz der biologischen Vielfalt. Im Grunde ist damit die Umweltpolitik auch zum Vorreiter einer globalen Zusammenarbeit geworden, wie wir sie nach meiner festen Auffassung in den nächsten Jahren auch in anderen Bereichen noch sehr viel intensiver brauchen werden.
Im Bereich des Klimaschutzes manifestieren sich meines Erachtens weit über den sehr engen Begriff der Umweltpolitik hinaus ganz wesentliche Herausforderungen für die Menschheit. Wie können wir bei einer wachsenden Weltbevölkerung mit unseren Ressourcen vernünftig umgehen? Damit schließt sich der Kreis zwischen Umweltpolitik, CO2-Emissionen und Energiepolitik. Energiepolitik war im klassischen Verständnis immer ein Herzstück der Wirtschaftspolitik und ist heute ganz klar ein Bindeglied zwischen nachhaltiger Entwicklung und wirtschaftlichem Wachstum.
Wir haben dieses Thema in der Europäischen Union zum wesentlichen Thema gemacht – es wurde im Übrigen schon vor gut einem Jahr von der österreichischen Ratspräsidentschaft vorbereitet. Die Kommission hat in Bezug auf die Frage, wie es mit der UN-Klimarahmenkonvention weitergeht, ganz wichtige Vorgaben gemacht. Es ist uns dann beim Gipfeltreffen des EU-Rats im März dieses Jahres gelungen, ein klares Bekenntnis zu weiteren Reduktionszielen, auch für die Zeit nach 2012, abzugeben und gleichzeitig auch die Veränderung unserer Energiepolitik im Hinblick auf eine größere Bedeutung der erneuerbaren Energien und eine Erhöhung der Energieeffizienz festzuschreiben, und zwar für alle 27 EU-Mitgliedsstaaten.
Man kann jetzt fragen – diese Diskussion wird ja häufig geführt –: Warum verpflichtet sich Europa als erster Kontinent, bis zum Jahr 2020 die CO2-Emissionen gegenüber dem Jahr 1990 um 20 % und, wenn andere Länder mitmachen, sogar um 30 % zu reduzieren, obwohl auf unserem Kontinent nur 15 % der weltweiten CO2-Emissionen erzeugt werden? Ich finde, die Antwort darauf ist, wenn wir aus einem klaren Werteverständnis heraus argumentieren, eindeutig: Wenn wir dieses Thema für wichtig halten, dann muss jemand vorangehen, dann kann man nicht so lange warten, bis alle in der gleichen Sekunde zur gleichen Einsicht gelangen. Ich finde es gleichermaßen auch klug, zu sagen: Wir erhöhen unsere Reduktionsziele, wenn andere mitmachen; sie sind niedriger, wenn andere nicht mitmachen. Zum Zweiten setzen wir uns dabei selber unter Druck, die innovativen Techniken zuerst bei uns in Europa zu entwickeln, in der klaren Erkenntnis – es ist mehr als nur eine Hoffnung –, dass wir uns dadurch auch Exportmärkte der Zukunft erschließen.
Der Anteil der europäischen CO2-Emissionen an den weltweiten CO2-Emissionen wird sinken. Deshalb war der EU-Gipfel im März dieses Jahres zwar die notwendige, aber längst nicht die hinreichende Bedingung für weltweiten Klimaschutz. Aber ich sage auch: Die Ergebnisse des G8-Gipfels und dass auch die Vereinigten Staaten sich dazu bekannt haben, nach 2012 wieder unter das Dach der UN-Konventionen zurückzukehren, wären ohne die europäischen Beschlüsse nicht möglich gewesen. Dass uns das gelungen ist, halte ich für sehr wichtig. Vor allem halte ich es für wichtig, dass es uns gelungen ist, einen strukturierten Dialog zwischen den G8-Ländern, also den großen Industrieländern, sowie den so genannten O5-Ländern, also Indien, China, Mexiko, Brasilien und Südafrika, herzustellen. Denn eines ist auch klar: Wenn wir dieses globale Thema in den Griff bekommen wollen, dann muss es gelingen, dass alle Länder, die große Emittenten sind, ihren Beitrag dazu leisten.
Es wird spannend, wie die Entwicklung in der Zeit zwischen 2012 und 2020 sein wird. Ich hatte einen kleinen Disput mit dem indischen Ministerpräsidenten. Er brachte vor, dass sein Land "nur" 4 % der weltweiten CO2-Emissionen erzeuge. Aber wenn man 4 % der weltweiten CO2-Emissionen erzeugt, gehört man schon zu den größeren Emittenten. Wir müssen natürlich alle darauf achten, dass wir unseren Beitrag leisten.
Der spannende Punkt wird die Frage sein: Wie werden wir die Schwellenländer, die Sorge haben, ob sie noch wachsen dürfen, mit ins Boot holen, damit wir das Thema überhaupt global bearbeiten können? Da haben die Vertreter der Schwellenländer ganz klar gesagt: "Wir wollen und brauchen heute noch wirtschaftliches Wachstum." Wir sagen ihnen: "Als Erstes müsst ihr das schaffen, was wir schon in den 70er Jahren geschafft haben, nämlich eine klare Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch."
Die Schwellenländer wissen ganz genau, dass sie niemals mehr CO2 pro Kopf emittieren dürfen, als in den westlichen Industrieländern pro Kopf emittiert wird. Die CO2-Emissionen pro Kopf liegen derzeit in China bei rund einem Drittel der durchschnittlichen CO2-Emissionen pro Kopf in den Industrieländern. Das heißt, wenn China weiter so wächst und die Industrieländer selber ihre Emissionen reduzieren, dann kommen wir in einer nicht zu fernen Zukunft an einen Schnittpunkt. Dieser Schnittpunkt definiert sich in der Frage: Wie schnell können die Industrieländer ihre Pro-Kopf-Emissionen senken? Nur so werden wir die moralische Legitimation haben, den anderen Ländern zu sagen: "Hier ist auch eure Grenze erreicht." Daraus wird sich das weltweite Gefüge eines Vertrages über die CO2-Emissionen ergeben. Da werden natürlich die Länder, die über die Fähigkeit verfügen, Technologien zu entwickeln, die zu einer Reduzierung der Emissionen beitragen und trotzdem Wirtschaftswachstum ermöglichen, vorne dabei sein und sich Märkte der Zukunft sichern. Das ist die Philosophie, mit der wir unsere Verhandlungen führen.
Wenn wir uns die Migrationsbewegungen von Afrika nach Europa anschauen, erkennen wir: Die Frage, ob es Versteppung, Wüstenausbreitung, Klimakatastrophen geben wird – gerade auf dem afrikanischen Kontinent –, wird nicht ohne Einfluss auf die Frage sein, wie viele zusätzliche Belastungen wir auch in der Europäischen Union zu schultern haben. Wir können also feststellen, dass beim Klimaschutz die Dinge aufs Engste zusammenhängen. Deshalb ist der Klimawandel ein Thema, an dem wir lernen können und müssen, wie wir gemeinsam global Verantwortung übernehmen, obwohl die Ausgangssituationen ganz unterschiedlich sind.
Wir werden jetzt daran arbeiten müssen, ein Kyoto-Folgeabkommen bis 2020 hinzubekommen. Aber wir müssen als europäischer Kontinent vor allem erst einmal daran arbeiten, das Kyoto-Protokoll bis 2012 zu erfüllen. Die Europäische Union hat sich verpflichtet – was sich gar nicht so dramatisch anhört –, die CO2-Emissionen bis 2012 um 8 % gegenüber 1990 zu reduzieren. Deutschland hat dabei einen Anteil von fast drei Viertel der gesamteuropäischen Emissionsreduktion zu erbringen. Das bedeutet für Deutschland eine Reduktion der CO2-Emissionen bis 2012 um 21 % gegenüber 1990. Wir haben glücklicherweise schon eine Reduktion um 18 % erreicht. Aber seitdem die Umstrukturierung der Industrie in den neuen Bundesländern sozusagen abgeschlossen ist, nährt sich auch bei uns – um das im übertragenen Sinne zu schildern – das Eichhörnchen sehr mühsam. Es muss um jeden Prozentpunkt gekämpft werden.
Ich glaube, wir haben ganz gute Chancen, die Einsparung um 21 % bis 2012 zu erreichen. Aber wir kommen jetzt an den Punkt, an dem die Klimaschutzverpflichtungen nicht mehr so einfach zu erreichen sind und weitere Anstrengungen auch unsere gesamten Lebensverhältnisse verändern werden. Man muss anerkennend feststellen, dass die deutsche Wirtschaft bislang einen erheblichen Beitrag zur Erreichung des Ziels der Klimagasreduktion geleistet hat und in Zukunft andere Bereiche einen erheblichen Beitrag leisten werden.
Es wird häufig verkannt, dass der Stromverbrauch nur ein Drittel unseres Energieverbrauchs ausmacht, dass zwei Drittel der Energie in anderen Bereichen verbraucht werden – und hier in ganz erheblichem Maße im Wärmebereich – und dass die Möglichkeiten der Reduktion von CO2-Emissionen, was die Kosteneffizienz anbelangt, im Wärmebereich mit am größten sind. Genau deshalb ist Ihr gestriger Kabinettsbeschluss zur Einführung eines Erneuerbare-Wärme-Gesetzes nicht nur in der Sache wichtig, sondern auch hinsichtlich der Symbolik und der Initiative, einen neuen Bereich anzugehen.
Ich glaube, wenn wir deutlich machen, wie viel Wärme gespart werden kann und wie unsere Wärmeerzeugung auch verändert werden kann, werden wir einen ganz wesentlichen Fortschritt erreichen. Bei unserem letzten Energiegipfel haben diejenigen, die sich mit Wärmeversorgung beschäftigen – dazu gehört zum Beispiel die Firma Viessmann, die Heizungen herstellt und den Entwicklungen im Klimaschutz mit großer Freude entgegensieht –, darauf hingewiesen: Der gesamte Wärmemarkt ist eigentlich der große schlafende Riese im Bereich des Klimaschutzes. Hier kann man Erhebliches tun, genauso wie im Verkehrsbereich.
An dieser Stelle und in diesem Bundesland will ich noch einmal ganz deutlich sagen: Im Verkehrsbereich geht es hinsichtlich der CO2-Reduktionen darum, autotyp-spezifische Reduktionen zu erreichen, und nicht darum, alle über einen Kamm zu scheren. Das ist für das Automobilland Deutschland und insbesondere für Baden-Württemberg von allergrößter Bedeutung.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat eine ganze Reihe von Maßnahmen des Klimaschutzes ergriffen. Dazu gehört unser sehr groß angelegtes Gebäudesanierungsprogramm, mit dem wir im Übrigen auch erhebliche Investitionen tätigen und Arbeitsmarkteffekte erzeugen. Wir werden eine Vielzahl von weiteren Maßnahmen ergreifen, die wir im Zusammenhang mit den Energieszenarien, die wir errechnet haben, und den notwendigen Effizienzverbesserungen durchsetzen werden.
Das, was manchmal belächelt wird, etwa die Frage der Standardisierung von Elektrogeräten oder die Frage der Verwendung bestimmter Sorten von Glühbirnen, hat erhebliche Effekte, die heute zum Beispiel in hoch industrialisierten Bereichen überhaupt nicht mehr oder nur mit einem nicht vertretbaren Aufwand erbracht werden können. Der Wirkungsgrad in der Stahlindustrie liegt bei weit über 90 %. Man kann nicht verlangen, dass dort weitere Einsparungen von CO2-Emissionen erbracht werden, allenfalls in der Art der Energieerzeugung. Demgegenüber können im Konsumbereich, im Wärmebereich mit relativ geringen Mitteln Effekte erzielt werden.
Ich finde, an diesem Thema kann man sehen: Das kann Spaß machen, das kann anregen. Wir sollten das Ganze als eine positive Herausforderung ansehen. Die Tatsache, dass der Ministerpräsident bei der heutigen Feierstunde anwesend ist, dass diese Feierstunde sozusagen unter dem Schirm der gesamten Landesregierung stattfindet und dass der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion ein Freund der Umweltpolitik ist, lässt mich ermutigt für das Land Baden-Württemberg in die Zukunft schauen. Sie können ja auch alles – außer Hochdeutsch. Insofern muss uns um die Umweltpolitik in diesem Land auch keine Bange sein.
Meine Damen und Herren, das Thema "Schutz der biologischen Vielfalt" ist ein Thema, das schwieriger zu fassen ist und das für ein hoch entwickeltes und dicht besiedeltes Land wie Deutschland auch nicht einfach zu bearbeiten ist. Wir haben noch keine Entkopplung unseres Wirtschaftswachstums vom Landverbrauch. In einem Land wie Baden-Württemberg, das sich im Gegensatz zu anderen Ländern, die unter Abwanderung leiden, über Zuwanderung freuen kann, in einem Land, das natürlich auch möchte, dass der Wohlstand weiter steigt, ist das Thema "Flächenverbrauch" bzw. "Erhalt der biologischen Vielfalt" ganz wichtig. Ich glaube, es werden noch zahlreiche intensive Diskussionen notwendig sein, um hier wirklich voranzukommen.
Wenn wir uns einmal selber fragen, wie viele Lebensarten, wie viele Tierarten wir eigentlich kennen, dann stelle ich zumindest bei mir immer wieder fest, dass meine botanischen Kenntnisse und meine Kenntnisse der Tierwelt gemessen an der biologischen Vielfalt ausgesprochen gering sind. Weltweit sind die Einschränkung und die Reduzierung der biologischen Vielfalt, das Artensterben und auch das Pflanzensterben eine nicht wiedergutzumachende Entwicklung – eine Entwicklung, die den Menschen anfälliger gegenüber Krankheiten und verschiedenen anderen Gefahren macht. Je einheitlicher unsere Lebensumwelt ausgeprägt ist, desto größer ist die Anfälligkeit gegenüber Allergien und sonstigen Krankheiten. Das heißt, die Erhaltung einer möglichst umfassenden biologischen Vielfalt macht auch das menschliche Individuum sehr viel widerstandsfähiger gegenüber Herausforderungen in der natürlichen Umwelt. Das wird meiner Ansicht nach noch viel zu wenig beachtet. Wenn wir die Gefährdung der biologischen Vielfalt verringern könnten, das heißt, wenn wir die Abnahme des Reichtums der biologischen Vielfalt verlangsamen könnten, würde man das schon als einen Riesenerfolg beim Schutz der biologischen Vielfalt sehen.
Auf dem Weltgipfel in Johannesburg im Jahr 2002 ist auf das Thema "Schutz der biologischen Vielfalt" deutlich hingewiesen worden. Im nächsten Jahr werden wir Gastgeber der UN-Konferenz über biologische Vielfalt sein. Ich glaube, wir sollten dort ganz deutlich zeigen, dass wir auch diesem Thema eine hohe Bedeutung beimessen.
Wir werden auch – um den Bogen zurückzuschlagen, was Energieeffizienz anbelangt – von der Natur vieles lernen können. Wenn wir uns zum Beispiel vor Augen führen, dass Glühwürmchen bei der Lichtproduktion einen Effizienzgrad von 99 % erreichen, während der Wirkungsgrad von Glühbirnen heutzutage bei 25 % liegt, merken wir, dass wir uns verdammt anstrengen müssen, um hier eine ähnliche Fähigkeit zu erreichen. Auch wenn ich an den Wirkungsgrad im Zusammenhang mit der Sonnenenergie erinnere – auch wenn diese nicht zur biologischen Vielfalt gehört –, können wir feststellen, dass es im technischen Bereich noch vieles zu leisten gibt.
Die biologische Vielfalt ist also das zweite große Thema, über das wir vermehrt reden sollten. Es ist nicht ganz so einfach in Zahlen und Prozentangaben zu fassen wie das Thema "Klimaschutz", aber deshalb nicht weniger wichtig.
Lassen Sie mich abschließend ein Wort zu einem Thema sagen, das den Ordnungspolitikern im Bereich der Umweltpolitik sehr am Herzen liegt. Das ist das Umweltgesetzbuch. Für den Bereich der Sozialpolitik gibt es das Sozialgesetzbuch und die Umweltpolitiker träumen von einem Umweltgesetzbuch. Wir sind sehr dankbar, dass die Föderalismusreform I – vermeintlich zumindest; ich will nicht ausschließen, dass es trotzdem noch Schwierigkeiten gibt – die Voraussetzung für ein Umweltgesetzbuch geschaffen hat. Nun sollten wir alles daransetzen, mit dem Umweltgesetzbuch auch Verwaltungsvereinfachung, Bürokratieabbau und einheitliche Bewertungsverfahren durchzusetzen.
Deshalb, lieber Herr Ministerpräsident, lieber Günther Oettinger, im Gedenken an die Föderalismusreform I und zur Unterstützung der Föderalismusreform II, die ich dann an anderer Stelle zusage, meine herzliche Bitte: Zeigen Sie ein Herz für das Umweltgesetzbuch, soweit seine Erarbeitung von Landesseite gefördert werden kann. Natürlich muss hier vor allem auch auf Bundesseite gearbeitet werden, aber es bedarf der kollektiven Anstrengung aller Umweltpolitiker – davon bin ich überzeugt – und guter Juristen, um aus dem Umweltrechtswerk auch wirklich ein gutes Umweltgesetzbuch zu machen.
Meine Damen und Herren, wir sollten daran denken, dass spätestens in 20 Jahren wieder Feierstunden stattfinden werden. Es wäre schön, wenn man später sagen könnte, sie haben 20 Jahre nach Gründung des Umweltministeriums nicht nur gefeiert, sondern die Weichen auch weiter auf die richtigen Schwerpunkte der Umweltpolitik konzentriert. Es ist schön, dass wir uns über manche Dinge der Umweltpolitik heute nicht mehr so viele Gedanken machen müssen. Ich möchte mich jetzt nicht abschätzig über die nächste Novelle der Verpackungsverordnung äußern. Aber dass diese jetzt nicht mehr so im Zentrum des Interesses steht wie zu Zeiten der deutschen Wiedervereinigung – in diesem Zusammenhang habe ich mich damals gewundert, womit sich die Bundesrepublik Deutschland noch so alles beschäftigt – und wir uns anderen Themen zuwenden können, zeigt, dass die Umweltpolitik Fortschritte gemacht hat. Sie, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Vorkämpfer der Umweltpolitik, haben Ihren Beitrag dazu geleistet.
Ein herzliches Dankeschön! Weiter guten Mut! Noch eine schöne Feier!