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Mitschrift Pressekonferenz

Pressestatements von Bundeskanzlerin Merkel und dem japanischen Ministerpräsidenten Abe

Mi, 10.01.2007
am 10. Januar 2007 in Berlin
BK'IN DR. MERKEL: Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass heute der japanische Ministerpräsident, Herr Abe, bei uns in Deutschland ist und dass er Europa besucht. Ich sage das als Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland, sage es aber auch im Namen der Präsidentschaft der Europäischen Union, weil die Europäische Union als Ganzes, aber auch die Bundesrepublik sehr enge, freundschaftliche und strategisch wichtige Beziehungen zu Japan hat und diese auch weiter ausbauen will.
 
Wir verfügen über gute bilaterale Beziehungen, und ich habe mich gefreut, dass der japanische Ministerpräsident die Idee angenommen hat, dass Japan im Jahr 2008 Partnerland bei der Hannover Messe, der größten Industriemesse der Welt, sein wird und dass damit unsere Kenntnis der Spitzentechnologien aus Japan sicherlich noch einmal größer und besser werden wird. Wir sind uns einig, dass unsere Länder nur voran kommen, wenn sie auf Innovation setzen.
 
Deshalb ergeben sich auch für die G8-Präsidentschaft, die Deutschland in diesem Jahr inne hat und die Japan im nächsten Jahr inne haben wird, eine ganze Reihe gemeinsamer Projekte. Wir sind der Auffassung, dass gerade der Schutz des geistigen Eigentums ein ganz wichtiger Punkt ist, genauso wie die Notwendigkeit, die Weltwirtschaft balanciert zu halten und die Finanzinstrumente transparent zu halten. Insofern, glaube ich, wird sich ein sehr intensiver Dialog über die beiden Jahre ‑ in diesem Jahr Deutschland, im nächsten Jahr Japan ‑ im Rahmen der G8-Präsidentschaft ergeben.
 
Bilateral haben wir eine ganze Reihe von Institutionen, die auch als Impulsgeber für unser besseres Kennenlernen dienen können, z. B. das Japanisch-Deutsche Zentrum Berlin, das Deutsch-Japanische Forum und auch einen sehr vernünftiger Jugendaustausch, der sicherlich noch ausbaufähig ist, auf den wir aber inzwischen auch aufbauen können.
 
Wir haben uns natürlich über die internationale Situation unterhalten und haben eine Menge Gemeinsamkeiten festgestellt. Gerade auch im Zusammenhang mit China ist es unser gemeinsames Anliegen, die Themen Rechtsstaatsdialog und geistiges Eigentum immer wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Wir sind der Meinung, dass die Vereinten Nationen einer dringenden Reform bedürfen. Wir unterstützen die Anliegen Japans im Hinblick auf Nordkorea, gerade was Gefangene anbelangt, und wünschen natürlich, dass die Sechs-Parteien-Gespräche eine intensive Unterstützung erhalten. Ich denke auch, dass es eine große Gemeinsamkeit im Vorgehen gegenüber dem iranischen Atomprogramm gibt.
 
Alles in allem ist dies eine sehr, sehr gute Basis, um im Rahmen der G8 und bilateral zusammenzuarbeiten, die uns natürlich noch viele Möglichkeiten gibt, uns gegenseitig besser kennenzulernen und auch von den einzelnen Aktivitäten und Reformen in den Ländern zu profitieren. Ich bedanke mich für diesen Besuch und habe auch gesagt: Wenn ich das nächste Mal nach Asien fahren werde ‑ der Termin steht noch nicht genau fest ‑, freue ich mich, auch Japan als Bundeskanzlerin zu besuchen.
 
Eine Sache ‑ bei Japan fällt mir sofort Kyoto ein, weil ich dort als Umweltministerin war ‑ möchte ich noch ergänzen: Wir haben natürlich über den Klimaschutz und unsere gemeinsamen Anstrengungen gesprochen, die wir im Hinblick auf ein Abkommen leisten werden, das sich an den Kyoto-Prozess anschließt.
 
MP ABE: Ich hatte heute die Gelegenheit, mit der Bundeskanzlerin, Frau Dr. Merkel, zu sprechen. Wir sind beide im gleichen Alter und haben ein sehr sinnvolles und gutes Gespräch geführt. Ich möchte mich noch einmal dafür bedanken, dass Sie sich die Zeit genommen haben, dieses Treffen zu arrangieren.
 
Deutschland hat den Vorsitz innerhalb der G8 und auch die EU-Präsidentschaft inne. Wir, das heißt Japan, werden 2008 den Vorsitz innerhalb der G8 inne haben. Wir haben strategische Partnerschaften, basierend auf gleichen Wertvorstellungen, und sind überein gekommen, dass wir uns weiterhin zusammensetzen und in dieser Richtung arbeiten werden. Ich habe Frau Bundeskanzlerin gebeten, so frühzeitig wie möglich nach Japan zu kommen, und darauf habe ich eine positive Antwort erhalten, worüber ich mich sehr freue.
 
Wir haben darüber gesprochen, dass wir uns weiterhin für die Reform der UN einsetzen sollten. Dabei sollten wir auch weiterhin zusammenarbeiten. Das gilt auch für die internationalen Aufgaben, beispielsweise auch Nordkoreas Atomwaffen- und Raketenprogramme. Auch hierbei wollen wir weiterhin eng zusammenarbeiten und kooperieren.
 
Frau Bundeskanzlerin hat auch Japans Bemühungen zur Lösung der Problematik der Verschleppung japanischer Staatsbürger ihre tatkräftige Unterstützung zugesagt, und darüber freue ich mich sehr.
 
Des Weiteren haben wir uns bei dem heutigen Treffen über Ostasien, Iran, Europa, Russland usw. austauschen können. Bei diesen internationalen Aufgaben wollen wir, Deutschland und Japan, weiterhin eng zusammenarbeiten. Das gilt nicht nur für Japan, sondern auch für Deutschland. Wir werden uns beide bemühen, der Welt gemeinsam zum Nutzen zu dienen.
 
Im wirtschaftlichen Bereich möchten wir die beiderseitige Investitionsförderung und den Informationsaustausch im Energiebereich weiter forcieren. Auf Anfrage von Frau Bundeskanzlerin Merkel hat Japan zugesagt, an der Hannover Messe 2008 als Partnerland mitzuwirken.
 
Auch über das Kyoto-Protokoll haben wir gesprochen. Wir müssen auch in diesem Bereich weiterhin eng zusammenarbeiten.
 
Bei der Lösung gemeinsamer Probleme wie beispielsweise Strukturproblemen oder der alternden Gesellschaft mit sinkenden Geburtenraten wollen wir das Japanisch-Deutsche Zentrum Berlin sowie das Deutsch-Japanische Forum nutzen und den Dialog und Austausch beider Länder vertiefen.
 
Ich bedanke mich noch einmal für das Gespräch, das wir heute geführt haben, bei Ihnen, Frau Bundeskanzlerin!
 
FRAGE: Ich habe eine Frage, die sich an beide richtet. Können Sie vielleicht vertiefen, inwieweit die Themen Nordkorea und die Neuausrichtung der japanischen Außen- und Sicherheitspolitik eine Rolle gespielt haben?
 
BK'IN DR. MERKEL: Natürlich hat der Ministerpräsident mir darüber berichtet. Er wird selbst etwas über seine Vorstellungen zur Außen- und Sicherheitspolitik sagen können. Es gibt, wie gesagt, eine Reihe von Gemeinsamkeiten.
 
Was Nordkorea anbelangt, so sind wir an einem Erfolg der Sechs-Parteien-Gespräche intensiv interessiert. Wir wollen natürlich nicht, dass Nordkorea in den Besitz von Atomwaffen gelangt und wollen das beenden. Das ist natürlich für die japanische Seite von elementarer Notwendigkeit, auch bezüglich der eigenen Sicherheit. Das liegt auch in unserem Interesse. So arbeiten wir hierbei sehr eng zusammen.
 
MP ABE: Was die atomare Bewaffnung von Nordkorea angeht, so muss das mit allen Maßnahmen verhindert werden. Nordkorea muss sein Atomprogramm einstellen, und dafür muss sich die internationale Staatengemeinschaft auch einsetzen. Die UN-Resolution 1718 wirkt auch in diese Richtung. Es ist wichtig, dass diese Resolution in die Tat umgesetzt wird. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist es wichtig, dass diese UN-Resolution durchgeführt wird.
 
Die internationale Staatengemeinschaft ist sehr besorgt über die Situation in Nordkorea. Natürlich ist auch die Lebensmittelfrage in Nordkorea ein großes Problem, die auch damit zusammenhängt. Die internationale Gemeinschaft ist für diese Lösung auch mitverantwortlich.
 
FRAGE: Meine Frage richtet sich an beide. Vor ein oder zwei Jahren ist ja der Entwurf für eine UN-Reform von Deutschland, Japan und anderen Ländern zum Stoppen gekommen. Man versucht jetzt mit Verständnis oder Zustimmung der amerikanischen Seite, neue Reformbemühungen einzuleiten. Es gibt die deutsch-amerikanische Beziehung und die japanisch-amerikanische Beziehung. Welche Schritte wollen Sie jetzt weiter einleiten?
 
MP ABE: Heute habe ich mit Frau Bundeskanzlerin Merkel gesprochen, dass wir eine UN für das 21. Jahrhundert brauchen. Dafür müssen wir weiterhin die Reformen des UN-Sicherheitsrates als Zielsetzung behalten. So weit sind wir zu einem Konsens gekommen. Bei der Reform des UN-Sicherheitsrates wollen wir nicht nur darauf hinarbeiten, einen Sitz (im Sicherheitsrat) zu bekommen, sondern die UN in ihrer Gesamtheit, ihre Stabilität und Vertrauenswürdigkeit, zu erhöhen.
 
Wir müssen frühzeitig versuchen, die UN-Reformen einzuleiten und sie zu verwirklichen. Dazu brauchen wir mehr Länder, die mit uns einer Meinung sind. Diese Bemühungen werden wir weiter verfolgen.
 
Als Japan müssen wir versuchen, unsere bisherigen Erfahrungen zu nutzen und  über die G4-Gruppe hinaus größere Reformbemühungen einzuleiten. Das ist unsere Meinung. Wir sind jetzt dabei, konkrete Entwürfe vorzubereiten. Wenn die Zeit reif ist, werden wir versuchen, mit möglichst viel Zustimmung der internationalen Gemeinschaft neue Bewegungen einzuleiten.
 
BK’IN DR. MERKEL: Ich kann mich dem eigentlich vollkommen anschließen. Wir sind an einer Gesamtreform des UN-Sicherheitsrates interessiert. Wir haben zu viert daran gearbeitet, die Repräsentanz unserer Länder im UN-Sicherheitsrat zu verbessern. Das ist aber nicht der einzige Punkt.
 
Ich glaube, dass jetzt mit dem neuen UN-Generalsekretär wieder eine neue Runde der Reformen eingeleitet wird. Wir werden diese Bemühungen also fortsetzen ‑ und zwar nicht gegen andere, sondern im Werben darum, dass andere uns unterstützen.
 
FRAGE DR. RINKE: Ich habe eine Frage zum Thema Iran an beide, an die Bundeskanzlerin und den Ministerpräsidenten: Nachdem der UNO-Sicherheitsrat Sanktionen gegen Iran beschlossen hat, drängen die USA darauf, dass Geschäftsbanken keine Kontakte mehr mit dem Iran unterhalten und China keine Energiegeschäfte mehr mit dem Iran abschließt. Stellen Sie sich hinter dieses amerikanische Anliegen?
 
BK’IN DR. MERKEL: Ich habe ja bei meinem Besuch letzte Woche mit dem amerikanischen Präsidenten auch darüber gesprochen. Es gibt eine ganze Reihe von Aktivitäten, die durch die UN-Resolutionen abgedeckt sind. Wir haben von deutscher Seite immer sehr viel Wert darauf gelegt, dass China und Russland bei der Verabschiedung dieser Resolutionen an Bord bleiben. Manches hat dadurch etwas länger gedauert. Aber ich glaube, es ist trotzdem wichtig, dass der Iran sieht, dass die Botschaft sehr klar ist. Auf der Grundlage dieser Resolution schauen wir natürlich auch: Was kann man im finanziellen Bereich machen?
 
Ich habe mit sehr großem Interesse verfolgt, dass der chinesische Präsident in den vergangenen Tagen den iranischen Unterhändler Larijani empfangen hat. Ich habe den Eindruck, dass China hier in einem gewissen Maße an dem gleichen Strick und auch ein Stück in die richtige Richtung zieht. Ich glaube, das ist auch die Botschaft, die der Iran verstehen würde.
 
MP ABE: Das atomare Programm des Iran ist für die internationale Sicherheit sehr wichtig. Insofern ist natürlich auch die UN-Resolution von großer Bedeutung und begrüßenswert. Die internationale Staatengemeinschaft muss in dieser Frage eng zusammenarbeiten, um die Anreicherung von Uran im Iran zu verhindern. Das ist ein Thema, das durch Gespräche gelöst werden soll. Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass eine solche Lösung gefunden wird. Auch Japan wird sich aktiv darum bemühen, dass eine solche Lösung gefunden werden kann.
 
FRAGE: Meine Frage richtet sich an beide: China hat die Beendung des Waffenembargos von der EU gefordert. Was haben Sie diesbezüglich in Ihrem Gespräch heute gesagt?
 
MP ABE: Dass China sich weiter entwickelt, ist eine große Chance für die Welt. Das ist meine persönliche Meinung. Im Oktober 2006 hatte ich die Gelegenheit, China zu besuchen. Ich bemühe mich, die japanisch-chinesischen Beziehungen zu einer strategischen Partnerschaft auszubauen, in der wir gegenseitig Nutzen haben. Also mein Stichwort lautet: "strategische Beziehung zum gegenseitigen Nutzen".
 
Hinsichtlich der rapiden Aufrüstung Chinas, der erhöhten Finanzmittel für die Aufrüstung, fehlt natürlich aus unserer Sicht die Transparenz. Wir wissen nicht, in welche Richtung sich China entwickeln wird. Deshalb denke ich, wenn die EU das Waffenembargo stoppen sollte, würde das eine negative Auswirkung auf den ostasiatischen Raum haben. Das ist für uns, von Japan aus gesehen, ein großes Problem. Wir sind natürlich gegen den Stopp des Waffenembargos.
 
BK’IN DR. MERKEL: Von deutscher Seite kann ich sagen, dass wir keine Veränderung unserer Position vorhaben, d. h. dass wir nicht an eine Aufhebung des Waffenembargos denken.
 
Danke schön.