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Mitschrift Pressekonferenz

Pressebegegnung von Bundeskanzlerin Merkel und dem britischen Premierminister Blair in Berlin

So, 03.06.2007
(Hinweis: Die Ausschrift der fremdsprachigen Ausführungen erfolgte anhand der Simultanübersetzung.)
 
 
BK’IN DR. MERKEL: Meine Damen und Herren, ich möchte zuerst einmal denen, die uns hier im Namen von "End Poverty now!" die Million Unterschriften übergeben haben, ein ganz herzliches Dankeschön sagen. Wir wissen, dass sich sehr viele Menschen im Vorfeld dieses G8-Gipfels gerade für das Thema Afrika engagieren. Wir sind sehr dankbar dafür. Wir wissen auch als Politiker ‑ ich sage das als deutsche Bundeskanzlerin ‑, dass wir eine große Verpflichtung haben, die in Glenn Eagles eingegangenen Versprechungen einzuhalten.
 
Die Bundesregierung arbeitet daran. Wir werden im nächsten Jahr den Entwicklungshaushalt um 750 Millionen Euro aufstocken; das bedeutet, dass der Entwicklungshaushalt wie kein anderer im deutschen Budget wächst. Wir wollen die Tatsache, dass die Wirtschaftswachstumsraten bei uns hoch sind, auch dazu nutzen, unsere Anstrengungen für Afrika in besonderer Weise zu verstärken.
 
Sagen Sie bitte all denen, die sich engagiert haben, ein ganz herzliches Dankeschön für dieses Engagement.
 
Ich möchte heute ‑ die Brücke zu Glenn Eagles macht das auch möglich ‑ den britischen Premierminister ganz herzlich begrüßen, der eben bei einer Veranstaltung der Parlamentarier ‑ "Globe" ‑ von den G8- und den O5-Staaten gesprochen hat. Wir sind dabei, die letzten Vorbereitungen für Heiligendamm zu treffen. Wir werden natürlich auch über die Zukunft Europas sprechen, uns vor allen Dingen aber auf Heiligendamm konzentrieren.
 
Ich werde die Möglichkeit nutzen, in den nächsten Tagen noch einmal mit allen Teilnehmern des G8-Gipfels auch über die notwendigen Entscheidungen zu sprechen. "Wachstum und Verantwortung" lautet das Motto der deutschen Präsidentschaft, in dem sich auch die Frage der menschlichen Gestaltung der Globalisierung widerspiegelt.
 
Neben den Fragen der Weltwirtschaft werden wir natürlich die Themen Klima und Afrika besprechen. Der Klimaschutz steht für die europäischen Vertreter unter den G8-Ländern schon seit geraumer Zeit ein vorderer Stelle. Wir haben erlebt, dass die Beschlüsse, die wir gefasst haben, in anderen Ländern nun doch Bewegung ausgelöst haben. Deshalb ist es sehr interessant, die Initiative des amerikanischen Präsidenten von Ende letzter Woche zu haben. Dadurch hat sich die Diskussion für Heiligendamm noch einmal sehr interessant gestaltet.
 
Natürlich brauchen wir alle "Global Player" dafür, den Klimawandel zu bekämpfen. Deshalb sind die amerikanischen Initiativen willkommen, sofern sie dann auch in einen UN-Prozess einmünden, den wir nach dem Auslaufen des Kyoto-Protokolls, also nach 2012, dringend brauchen. Ich glaube, wir haben noch gute Chancen, unsere Dokumente dem Ausmaß der Herausforderung anzupassen.
 
Mit Tony Blair, dem britischen Premierminister, steht heute jemand an meiner Seite, der der Bedeutung des Klimawandels seit langem in ganz besonderer Weise, nicht nur durch seine politischen Aussagen, sondern auch durch viele praktische Maßnahmen Rechnung trägt, bei denen wir von Großbritannien auch lernen und sehr gut mit Großbritannien zusammenarbeiten können. Insofern werden wir beide alles daransetzen, dass Heiligendamm auch an dieser Stelle ein Erfolg wird und anschließt an das, was vor zwei Jahren in Glenn Eagles beschlossen wurde.
 
Ich habe mir die Texte noch einmal angeschaut; wir sind ja mit den Vorbereitungen für Heiligendamm noch nicht ganz fertig. Man sieht schon, dass das Thema Klimawandel auf der einen Seite ein dickes Brett ist, das wir bohren müssen, dass wir aber auf der anderen Seite auch Fortschritte erreichen. Ich bin zuversichtlich, dass das auch in Heiligendamm gelingen wird.
 
Noch einmal herzlich willkommen, Tony. Wir werden heute Abend genug zu besprechen haben.
 
PM BLAIR: Herzlichen Dank. Ich möchte der Bundeskanzlerin sehr herzlich dafür danken, dass Sie mich wiederum hier willkommen heißt. Ich kann sie nur dazu beglückwünschen ‑ das habe ich auch in meiner heutigen Rede gesagt ‑, dass sie bei der Vorbereitung des Gipfels von Heiligendamm so hervorragende Führungsqualitäten bewiesen hat.
 
Natürlich gibt es zwei sehr wichtige Themen, die wir diskutieren müssen, nämlich: Wie können wir die Zusagen, die wir in Glenn Eagles in Bezug auf die Beendigung der Armut, in Bezug auf Afrika und unsere Verpflichtungen gegeben haben, erfüllen? Dabei muss man sich auch darauf konzentrieren, welche Aktionen wir zum Beispiel unternehmen können, was den universellen Zugang derjeniger, die unter HIV/AIDS leiden, zu Behandlungen, zu Medikamenten angeht. Es kann in den nächsten Jahren Millionen von Menschenleben retten, wenn wir allein diese Zusage einhalten.
 
Was den Klimawandel angeht, möchte ich sagen, dass es keinen Zweifel geben kann, dass dies das Thema ist, bei dem wir zu einem weltweiten Übereinkommen gelangen müssen. Zu dem Zeitpunkt, an dem das Kyoto-Protokoll ausläuft, müssen wir etwas haben, was einen angemessenen weltweiten Rahmen darstellt, in dem all diejenigen, die eine Rolle spielen, sich beteiligen, um es zu ersetzen, damit auch der Herausforderung, die sich durch die Treibhausgase stellt, entsprechend begegnet wird.
 
Ich bin der Bundeskanzlerin sehr dankbar, dass Sie das klar auf die Tagesordnung von Heiligendamm gesetzt hat, und ich freue mich sehr auf sehr interessante, sehr gute Gespräche mit ihr. Ich will auf jeden Fall meinen Beitrag dazu leisten, dass auch anderen Kollegen der G8 klar wird, dass das ein sehr wichtiges Thema ist und wir jetzt handeln müssen.
 
FRAGE: Herr Blair, Sie haben gesagt: "Now it’s time to act." Müssten Sie sich nicht gegenüber den Vereinigten Staaten sehr viel kritischer äußern? Ich habe Ihre Rede zum Klimawandel vor wenigen Minuten gehört. Darin loben Sie die USA für ihre Bewegung. Müssten Sie nicht sehr viel kritischer sein, weil die Zeit davonläuft, wenn man nicht jetzt, in Heiligendamm konkrete Klimaziele vereinbart?
 
PM BLAIR: Ich denke, das Wichtigste ist, dass man sich darüber klar wird, wie weit wir im Grunde genommen schon gekommen sind und wie weit man dann noch gehen muss. Wer die ganze Sache vernünftig analysiert, wird sagen: Es ist gut, dass sich die Vereinigten Staaten verpflichtet haben, Teil eines weltweiten Übereinkommens zu werden, dass sie sich verpflichtet haben, Ziele zur substanziellen Reduzierung von Emissionen zu akzeptieren. Das haben sie vorher nicht akzeptiert, jetzt jedoch haben sie es getan. Dann muss man natürlich weitergehen.
 
Wir müssen dafür sorgen, dass ein klares weltweites Ziel vorgegeben wird. Wir müssen dafür sorgen, dass uns dies dann auch erlaubt, innerhalb des Rahmens der Vereinten Nationen ein weltweites Übereinkommen zu vereinbaren. Dann müssen wir auch klar und deutlich sagen, wie wir dieses Ziel erreichen wollen. Natürlich gibt es noch immer ziemlich viel zu tun, aber vor drei Jahren befanden wir uns überhaupt noch nicht in diesem Stadium. Wie in der Politik üblich, muss man sagen: Es ist gut, dass es Fortschritte gegeben hat. ‑ Und dann muss man versuchen, weitere Fortschritte zu erzielen.
 
BK’IN DR. MERKEL: Ich habe heute in vielen Interviews schon zu der Frage Stellung genommen: Wann haben wir einen Erfolg? Einen Erfolg haben wir, wenn wir nach einem Gipfel ‑ Heiligendamm ist ja kein klassischer Klima-Gipfel, sondern ein Gipfel, auf dem das Thema Klimaschutz eine Rolle spielt ‑ ein Stück weiter sind, als wir es vorher waren. Heute ist es so, dass Kyoto nicht von den Vereinigten Staaten von Amerika ratifiziert wurde, im Übrigen weder von demokratischen Präsidenten noch von republikanischen sowie von keinem dortigen Parlament.
 
Das Bekenntnis für die Zeit nach Kyoto, sich in einem Gesamtprozess wieder zu engagieren und dabei mitzumachen, Reduktionsziele zu akzeptieren, auch die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Kenntnis zu nehmen, ist ein Schritt nach vorn. Für mich wichtig, ja unverzichtbar ist, dass jede Initiative, die von einem Land ergriffen wird ‑ die Vereinigten Staaten von Amerika sind der größte Emittent, und insofern sind diese Initiativen immer besonders wichtig ‑, in den gesamten UN-Prozess einmündet.
 
Darum ringen wir jetzt in den Dokumenten. Ich glaube, da gibt es eine Chance. Dann wäre das ein wichtiger Schritt vorwärts. Dass da noch viel zu tun ist, dass auch die Schwellenländer überzeugt werden müssen, ist überhaupt keine Frage. Aber das hieße dann, dass die Vereinigten Staaten von Amerika wieder in der Gemeinschaft derer sind, die um Reduktionsziele kämpfen und verhandeln. Das wäre schon etwas.
 
FRAGE: Meine Frage richtet sich an beide: Im Sicherheitsrat wird demnächst ein Votum zur Kosovo-Resolution abgegeben. Rechnen Sie mit einem Veto Russlands? Wie werden Sie sich verhalten, falls dies tatsächlich eintritt?
 
BK’IN DR. MERKEL: Deutschland sitzt nicht im Sicherheitsrat.
 
ZUSATZ: Aber falls Russland ein Veto einlegt, ist die Europäische Union gefragt.
 
PM BLAIR: Ich habe während meiner Amtszeit als Premierminister gelernt, dass man hypothetische Fragen nicht beantworten soll. Auch, wenn das sehr verführerisch ist, würde ich trotzdem sagen: Lassen Sie uns abwarten, was passiert. Ich hoffe, dass wir dann, je nachdem, wie die Situation ausfällt, auch einen Ausweg finden. Das ist natürlich eine Diskussion, die wir sehr aktiv mit unseren Partnern im Sicherheitsrat führen; denn natürlich wäre es gut, wenn man die Sache so behandeln könnte, dass man auch einen Konsens erreicht. Darauf arbeiten wir hin.
 
Ich denke nicht, dass wir jetzt die Möglichkeit eines Vetos diskutieren sollten, bis es dann tatsächlich passiert. Ich hoffe, es passiert nicht.
 
BK’IN DR. MERKEL: Ich kann mich den Ausführungen des britischen Premierministers nur anschließen, weil auch für deutsche Bundeskanzler gilt, dass sie hypothetische Fragen besser nicht beantworten.
 
FRAGE: Herr Premierminister, Sie verlassen Ende dieses Monats "Downing Street". Wie denken Sie darüber, dass der Irak durch Ihre Politik zusammengebrochen ist?
 
PM BLAIR: Ich akzeptiere natürlich nicht die Prämisse hinter Ihrer Frage. Es gibt alle möglichen Kommentare, die die Menschen über meine Amtszeit und die Entscheidungen, die ich während dieser Amtszeit getroffen habe, abgeben. Ich brauche das nicht zu kommentieren; es ist besser, wenn andere ihr Urteil darüber fällen.
 
FRAGE: Vielleicht darf ich Sie, Herr Premierminister, fragen ‑ Sie kommen ja gerade aus Afrika zurück ‑: Was hoffen Sie, was die G8 tun werden? Glauben Sie, dass man einfach nur auf die Erfüllung der Zusagen in Glenn Eagles zurückkommt, oder erwarten Sie, dass die G8 in Heiligendamm noch weiter gehen? (Geht es auch um) das, was der Präsident der MEPI gesagt hat? Hat er nicht versprochen, nach Heiligendamm zu kommen?
 
PM BLAIR: Er kommt nach Heiligendamm, soweit ich weiß; jedenfalls hat er mir das neulich gesagt.
 
Ich denke, zunächst einmal ist es wichtig, dass wir uns auf jeden Fall wieder besinnen und auch unterstreichen, welche Zusagen wir in Glenn Eagles gemacht haben. Jedoch macht jedes Jahr, das verstreicht, noch wichtiger, dass wir diese Zusagen wirklich mit Konkretem, mit Leben erfüllen. Ich denke, dass man jetzt einfach mehr im Bereich Bildung machen könnte und das auch tun sollte, dass man mehr im Bereich HIV/AIDS-Bekämpfung, mehr, was Streitbeilegungen friedlicher Art angeht, tun sollte. Ich denke, wir können da vor dem Hintergrund der Erfahrungen, die wir gemacht haben, noch sehr viel mehr tun.
 
Es ist also nicht nur eine Frage dessen, dass man sich wieder auf die Zusagen, die man in Glenn Eagles gegeben hat, zurückbesinnt, sondern auch, dass man deutlich macht, wie wir diese Zusagen am effizientesten erfüllen können.
 
Es ist auch wichtig, darauf hinzuweisen, dass es durchaus erhebliche Fortschritte gegeben hat. Ich muss der Bundeskanzlerin noch einmal sehr herzlich für die erneute Zusage bedanken, die im Bereich Entwicklungshilfe seitens der Bundesregierung gegeben wurde. Es hat gerade in den letzten Tagen auch ganz erhebliche Zuwächse bei den Zusagen der Vereinigten Staaten von Amerika gegeben.
 
Eines der wichtigsten Dinge, die mit diesen Gipfeln zusammenhängen ‑ das wird manchmal unterschätzt man ‑, ist, dass das eine Gelegenheit für führende Politiker, Regierungschefs der Länder ist ‑ jetzt sind auch die O5 dabei ‑, sich zusammenzusetzen und sich vor allen Dingen vor den Augen der Welt auf Zusagen zu konzentrieren, die sonst etwas unspezifisch bleiben.
 
Es ist natürlich kein Zufall, dass gerade in der letzten Woche ‑ eben aufgrund der Tatsache, dass die Bundeskanzlerin Afrika und Klimawandel auf die Tagesordnung gesetzt hat ‑ mehr und mehr Partner Zusagen machen. Das ist eben einer der Vorteile, wenn man einen solchen Prozess hat.
 
Wir sind, denke und hoffe ich, nächste Woche in der Lage, das, was in Glenn Eagles gerade zu Afrika begonnen wurde, einen Schritt weit nach vorn zu bringen.
 
BK’IN DR. MERKEL: Es gibt Dinge, die in Glenn Eagles vereinbart wurden oder damals noch gar nicht so existierten, die inzwischen in Afrika ganz normal geworden sind. Das African Partnership Forum ist eine Institution. Wir haben die Reviewprozesse innerhalb der Länder Afrikas, von denen drei Länder das schon beendet haben, zum Beispiel Ghana. Der ghanaische Präsident wird als Vorsitzender der Afrikanischen Union kommen. Wir wissen doch inzwischen: Das Geld ist das eine, das andere ist die Hilfe der G8-Länder beim Aufbau der Institutionen, damit das Geld die Menschen auch wirklich erreicht. Hier ist es ganz wichtig, dass wir über die guten Erfahrungen sprechen, dass wir uns aber auch kritisch miteinander austauschen, dass wir das, was wir untereinander tun, auch mit unseren afrikanischen Partnern pflegen, nämlich sagen: Da sind die Dinge noch nicht richtig im Gange. Wir müssen mit ihnen über die Zustände in Simbabwe, im Sudan sprechen, wobei wir natürlich auch auf das Urteil der afrikanischen Länder angewiesen sind. Insofern ist es extrem wichtig, sich zu treffen, einander zu sehen und das, was wir beschlossen haben, dann auch auszuwerten.
 
Es wird ein Treffen mit den afrikanischen Führern und den Chefs der O5-Länder, also Indien, China, Mexiko, Brasilien und Südafrika geben. Auch dort kann man sich natürlich noch einmal zwischen G8, O5 und den afrikanischen Ländern darüber austauschen: Wie sind die Perspektiven? Wie können wir einen wirklich fairen Handel mit Afrika gewährleisten? Wie kann man verhindern, dass Rohstoffe einfach ausgeplündert werden? Ich denke, auch die Notwendigkeit eines Erfolgs der Welthandelsrunde wird noch einmal deutlich. Es bestehen also sehr viele Möglichkeiten, die globalen Herausforderungen in Bezug auf Afrika ganz spezifisch zu diskutieren.